Ein verwegener Gentleman
verächtlich den Titel und grinste den Viscount anzüglich an.
„Was möchten Sie mir denn erzählen?“, fragte Ross leise.
„Nun … zunächst muss ich Sie warnen“, meinte Cadmore, „falls Sie ihr eine Zeit lang Ihren Schutz anbieten wollen. Es ist verdammt schwierig, an sie heranzukommen. Ist das Ihre Absicht?“
„Oh, ja“, sagte Ross, „das ist es in der Tat.“
Cadmore nickte und leckte sich die Lippen. Er genoss sichtlich die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde. „Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass ich … äh … ein ähnliches Interesse an ihr hatte … mit geringem Erfolg. Sie hat eine ungebührlich hohe Meinung von sich.“
Ross hob fragend die Brauen.
Cadmore grinste ihn an und erklärte: „Gott, wer würde bei ihrer eisigen Art schon auf die Idee kommen, dass sie von ein paar heißen Straßenräubern zugeritten wurde.“ Er brach in schallendes Gelächter aus. Einige seiner Freunde fielen in sein Lachen ein, die meisten sahen jedoch ein wenig unbehaglich drein, da sie bemerkten, dass der Mann, den Cadmore beeindrucken wollte, ganz und gar nicht amüsiert war.
Cadmore klopfte Ross auf die Schulter. „Lassen Sie mich wissen, wie angenehm es in diesem speziellen Sattel ist, ja? Falls jemand sie zähmen kann, dann Sie. Wollen Sie noch etwas wissen?“
„Ja. Wie möchten Sie sterben? Sie wählen die Waffen. Morgen früh, fünf Uhr, Wimbledon Common.“
Die folgende Minute schien sich endlos in die Länge zu ziehen. Die Gentlemen, die eben noch über die herausragenden Fechtkünste von Sir Richard Du Quesne und Lord Courtenay diskutiert hatten, starrten nun den bestürzten Earl of Cadmore und seinen böse dreinschauenden Herausforderer an. Das metallene Klirren der Degen verstummte, und tiefe Stille senkte sich über den Raum.
Ross ging langsam durch die Reihen der Dandies, die erschrocken vor ihm zurückwichen. „Hat sonst noch jemand pikante Anekdoten über meine Verlobte zu erzählen?“, fragte er ruhig. „Irgendetwas, das ich über Lady Elizabeth Rowes Vergangenheit wissen sollte? Nein?“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und ließ seinen Adlerblick über die betretenen Gesichter schweifen.
Luke, Dickie, David und Guy kamen mit grimmigen Mienen näher.
„Ihre Verlobte?“, brachte Linus Savage schließlich mit überkippender Stimme heraus. „Weshalb haben Sie das nicht gleich gesagt, mein lieber Junge? Natürlich entschuldige ich mich für jedes Missverständnis über Ihr Interesse an der Dame und für jede unbeabsichtigte Beleidigung. Natürlich werde ich mich ihr nie wieder nähern. Den Fehdehandschuh werde ich unter diesen Umständen nicht akzeptieren.“ Er begann sich rückwärts zur Tür zu bewegen, ohne die erstaunten, verächtlichen Blicke seiner Kameraden zu beachten. Er mochte ja buchstäblich um sein Leben kämpfen, aber von einem Gentleman wurde allgemein erwartet, dass er sich würdevoll in sein Schicksal ergab und um jeden Preis den guten Namen seiner Familie bewahrte.
Lord Grey, ein langjähriger Bekannter seines Vaters, raunte ihm zornig zu: „Überlegen Sie, was Sie da tun, Mann! Wie können Sie ihm die Satisfaktion verweigern? Wie haben alle gehört, was Sie über die Dame gesagt haben. Sie können sich nicht davor drücken … bedenken Sie die Schmach! Ich werde als Ihr Sekundant fungieren – und Beecher auch.“ Er wies mit dem Kopf auf einen jüngeren Mann.
Der Earl of Cadmore dachte verzweifelt nach. Ihm blieb nur noch die Wahl zwischen Tod, Verstümmelung oder Ächtung. Es war ein Albtraum, ebenso wahnhaft wie die Bosheiten, die er zwischen zusammengebissenen Zähnen ausstieß: „Das hat dieses Biest alles geplant.“ Er verlor die Beherrschung. „Sie sind wahrscheinlich nicht einmal mit dem Flittchen verlobt. Hat sie Sie angeheuert, um mich zu töten? Ihnen Kopfgeld geboten? Sollten Sie mich aufspießen oder ruinieren?“
Mit einer schnellen, fließenden Bewegung stieß Ross die Klinge durch Cadmores Mantel, sodass er an der Wand aufgespießt war. Sichtlich erschüttert verstummte der Earl.
Langsam und bedächtig nahm Ross seinen Fechthandschuh und streifte damit Cadmores bleiche Wange. „Nur der Form halber“, sagte er leise. Morgen früh, Wimbledon Common, fünf Uhr. Grey und Beecher haben sich als Ihre Sekundanten angeboten, Ramsden und Markham sind meine. Sie wählen die Waffen. Jetzt können Sie gehen.“ Er zog die Klinge heraus.
Die Gentlemen verließen einer nach dem andern den Fechtsaal. Zweifellos waren sie begierig, über
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