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Ein verwegener Gentleman

Ein verwegener Gentleman

Titel: Ein verwegener Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Brendan
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zu gehören sollte man nicht einfach so aufgeben.“ Sie setzte sich in ihren gemütlichen Sessel am Kamin und sah Elizabeth an. „Nun, mein Mädchen, du hast einen schweren Fehler gemacht. Du hast überreagiert, und jetzt bist du zu stolz, um es dir einzugestehen.“
    „Nein, bin ich nicht. Ich gebe es bereitwillig zu“, erwiderte Elizabeth und blinzelte heftig.
    „Fein, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und um dir bei deinem nächsten zu helfen … ich werde deiner Freundin und ihrem Jungen gestatten, noch ein paar Tage zu bleiben …“ Sie griff in die Konfektschale und schob sich eine Praline in den Mund. „… unter der Bedingung, dass du bei deinem Verlobten zu Kreuze kriechst.“
    „Das kann ich nicht …“
    „Du musst es tun. Ist dir morgens immer noch übel?“
    Elizabeth nickte. Ihr Magen krümmte sich weiß Gott den ganzen Tag. Dann dämmerte ihr auf einmal etwas, und sie sah Edwina forschend an. Doch ihre Großmutter lächelte nur ungerührt. „Geh, und mach dich fertig. Josie kann mit dir reisen.“
    Sie hörte die See, bevor sie sie sehen konnte. Das Geräusch der Brandung ließ sie einen Moment lauschend innehalten.
    Sie gab dem Kutscher ein Trinkgeld, und schon bald war die Mietkutsche über die sandige Auffahrt zur Hauptstraße davongerumpelt. Josie beäugte neugierig die Fachwerkfassade von Stratton Hall und ließ den Blick dann zu dem mit Zinnen versehenen Dach schweifen, von dem die Schindeln herunterrutschten. Sie verzog das Gesicht. Elizabeth zwang sich, sie anzulächeln, während sie ängstlich das verfallene gotische Herrenhaus betrachtete, dessen Herrin sie vielleicht oder vielleicht auch nicht werden würde.
    „Warte hier einen Augenblick“, befahl Elizabeth ihrer Zofe. „Ich möchte noch nicht hineingehen. Ich muss erst das Meer sehen.“
    Sie ließ Josie bei dem Gepäck zurück und lief über das raue, ungemähte Gras. Sie kam durch einen Obstgarten, der früher einmal sehr schön gewesen sein musste. Überall lagen faulende Früchte auf dem Boden, und die Äste der Bäume schaukelten in der milden Herbstbrise. Ein intensiver Geruch nach Äpfeln hing in der Luft.
    Sie bahnte sich ihren Weg durch hohes Schilfgras, dann blieb sie stehen und genoss die Aussicht. Unter ihr glitzerten Sonnenstrahlen auf dem Wasser, das in hohen, schaumgekrönten Wellen auf den weißen Sand einer kleinen, hübschen Bucht spülte. Gefesselt beobachtete sie das Naturschauspiel.
    Auf einmal spürte sie, dass er da war, dicht hinter ihr. Sie hielt den Atem an.
    „Komm von der Kante weg. Die Kreidefelsen bröckeln ab.“
    Vorsichtig trat sie zwei Schritte zurück und wandte sich zu ihm um. Diese wilde, raue, schöne Landschaft war sein natürlicher Lebensraum. In seiner dunklen Kleidung und mit vom Wind zerzaustem Haar passte er perfekt in die Umgebung. Er hatte seinen Adlerblick auf sie gerichtet und ließ sie nicht aus den Augen. Es schien ihr, als sähe sie den Seeräuber in ihm zum ersten Mal.
    „Du musst das Durcheinander im Haus entschuldigen. Ich habe zurzeit nur wenig Dienerschaft. Wenn ich gewusst hätte, dass du heute kommst, hätte ich ihnen aufgetragen, sauber zu machen. Du bist eher hier, als ich dachte.“
    Sie hörte den Triumph in seiner Stimme. Aber was hatte sie auch erwartet? Überlege dir genau, was du tust, hatte er zu ihr gesagt, denn ich habe es satt, ehrenhaft und nachsichtig zu sein.
    Und sie war gekommen. Sie sah in seinen glitzernden Raubvogelaugen, dass er gemeint hatte, was er sagte. Beklommen ließ sie ihr erhitztes Gesicht von dem lauen, salzigen Wind kühlen. „Führen Stufen zum Strand hinunter?“
    „Ja, aber jetzt gehst du dort nicht hin.“
    Er erwartete, dass sie sich ihm widersetzen würde. „Nein“, murmelte sie. „Jetzt nicht.“ Dann ging sie an ihm vorbei zum Herrenhaus zurück.
    Sie hatten sich in den roten Salon gesetzt. Es war, wie Ross ihr erklärte, der einzige Raum, der sich in einem einigermaßen vernünftigen Zustand befand. Er enthielt einige exquisite, zierliche Möbelstücke, die wohl dem Geschmack der letzten Schlossherrin entsprachen.
    Auf Befehl seines Herrn brachte ein Hausmädchen ein Tablett mit Tee und Kuchen für Elizabeth. Sie trank jedoch nur einen hastigen Schluck, bevor sie aufstand und unruhig im Zimmer umherlief.
    Das Schweigen zog sich in die Länge. Elizabeth blieb stehen. Sie biss sich auf die Unterlippe und sah Ross flehend an. In ihren klaren Augen stand die Bitte um ein Zeichen, dass er nicht so unnachgiebig war,

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