Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
gewesen war, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Ravenswood hatte die Papiere an sich genommen, die Giles Newmarsh gestohlen hatte, und Nutzen daraus gezogen. Auf diese Weise hatte Giles’ geheime Zusammenarbeit mit dem Innenministerium begonnen.
Sie hatte sich als fruchtbar für beide erwiesen. Von Zeit zu Zeit hatte Giles den Untersekretär mit Informationen versorgt, an die er sonst niemals herangekommen wäre: Im Bordell vertrauten Männer dem lasterhaften, für seinen ausschweifenden Lebenswandel bekannten Giles Masters allerhand pikante Details an. Nach dem Krieg war das Innenministerium mit Fällen von Betrug, Fälschung und Verrat überflutet worden, und da verschiedene Teile des Landes am Rande der Revolution standen, hatte es alle Hilfe gebraucht, die es bekommen konnte.
Gelegentlich hatte Giles die Informationen auch aktiv beschafft, sogar von anderen Adeligen. Im Gegenzug hatte Ravenswood ihm nach dem Selbstmord seines Vaters einen Grund zum Weiterleben gegeben. Eine Möglichkeit, Buße für seine Jugendsünden zu tun. Doch er büßte nun schon ziemlich lange für diese Sünden.
»Ich muss dir wohl nicht sagen, dass deine Tätigkeit geheim bleiben muss, auch nachdem du aus dem Dienst ausgeschieden bist«, ermahnte Ravenswood ihn. »Du darfst mit niemandem darüber sprechen und niemals …«
»Ich kenne meine Pflichten«, unterbrach ihn Giles.
Das war ja das Problem. Es war schwer, ein normales Leben zu führen, wenn er allen, die er kannte, Dinge verheimlichen musste. Er war diese Geheimniskrämerei leid. Und er war es leid, die Rolle des Lebemannes zu spielen, die ihm früher recht gut gefallen hatte. Wenn er nun aufhörte, für die Regierung zu arbeiten, würde niemand davon erfahren, und er konnte wieder mehr er selbst sein. Die Leute würden denken, er sei endlich zur Vernunft gekommen.
»Heute bekommst du meinen letzten Bericht«, bemerkte Giles. »Erwachsen dir aus meinem Rückzug irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Wie du dir vorstellen kannst, werden wir ihn bedauern, doch wir werden schon zurechtkommen. Wie du bereits sagtest, ist es ruhiger geworden.«
»Deshalb habe ich auch nicht viel zu berichten.« Giles erzählte ihm von einem Richter, den er der Bestechlichkeit verdächtigte, und von einem Problem, das sich seiner Meinung nach bei den Investitionen in südamerikanische Bergbauunternehmen zu ergeben drohte.
Ravenswood machte sich Notizen und stellte hier und da eine Frage. Als Giles innehielt, wollte er wissen: »Ist das alles?«
»Beinahe. Ich wollte dich noch auf den Gefallen ansprechen, um den ich dich vergangenen Monat gebeten habe«, entgegnete Giles.
»Ach ja, wegen deines Freundes Jarret Sharpe.« Ravenswood steckte sein Notizbuch in die Jackentasche. »Bislang konnte keiner meiner anderen Informanten die gewünschten Auskünfte über Desmond Plumtree beibringen. Ist es möglich, dass dein Freund mit seinem Verdacht falschliegt?«
Seit Jarret und Oliver sich verheiratet hatten, stellten sie Nachforschungen zum Tod ihrer Eltern an. Jarret hatte bei Giles juristischen Rat in dieser Angelegenheit gesucht, und der Fall hatte Giles’ Interesse geweckt.
»Soweit ich anhand von Mrs Plumtrees Testament in Erfahrung bringen konnte«, räumte Giles ein, »hätte Desmond Plumtree keinen Vorteil davon gehabt, sie umzubringen.«
»Aber das überzeugt dich nicht.«
»Ich kann es nicht erklären, doch Plumtree war mir noch nie geheuer. Wenn die Sharpes tatsächlich ermordet wurden, würde ich ihn am ehesten verdächtigen.« Und Giles hätte es als Anwalt nicht so weit gebracht, wenn er nicht immer schon einen guten Riecher für so etwas gehabt hätte.
»Nun, ich werde es dich wissen lassen, wenn jemand einen sachdienlichen Hinweis findet. Tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich tun kann«, sagte Ravenswood, dann zog er mit einem verschmitzten Augenzwinkern eine Zeitung hervor. »Um auf etwas Unterhaltsameres zu sprechen zu kommen: Da du dich neuerdings so für die Sharpes interessierst, habe ich dir das hier mitgebracht.«
Giles nahm die Zeitung entgegen und sah seinen Freund verdutzt an. »Das
Lady’s Magazine
?«
»Ich habe es von meiner Frau. Ist gestern herausgekommen. Sie hat mir etwas daraus vorgelesen, das dich bestimmt amüsieren wird. Es steht auf Seite sechsundzwanzig, ganz unten.«
Giles blätterte, und als er auf das erste Kapitel von Minervas jüngstem Schauerroman stieß, stockte ihm der Atem. Er hatte nicht gewusst, dass der Roman in Fortsetzungen
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