Ein vortrefflicher Schurke (German Edition)
sie geheiratet hatten, doch würde es so bleiben? Und wenn nicht? Dann saßen ihre Ehefrauen in der Falle.
Frauen zogen in der Ehe immer den Kürzeren. Deshalb konnte Minerva ihrer Großmutter die Forderung nicht verzeihen, dass sie alle heiraten sollten. Und Oliver und Jarret – wie hatten sie es wagen können, ihre Geschwister zu verraten und sich auf Großmutters Seite zu schlagen? Vor sechs Monaten waren sie noch Sturm gegen Großmutter Hettys Ultimatum gelaufen. Doch wenn die beiden herausfanden, was sie, Minerva, vorhatte und warum, würden sie ihre Pläne sofort vereiteln.
Sie sah argwöhnisch zur Tür. War das der Grund, warum sich noch kein Mann hatte blicken lassen? Hatten ihre Brüder – oder ihre Großmutter – etwa herausbekommen, was sie wieder Ungeheuerliches getan hatte?
Nein, es war unmöglich. Sie hatte ihre Anzeige extra im
Lady’s Magazine
aufgegeben, weil es abends zugestellt wurde und niemand von ihrer Familie es las. Celia war viel zu wild und jungenhaft für solche Dinge, Großmutter las nur die
Times
, ihre Brüder würden niemals auch nur einen Blick in so ein Blatt werfen und …
Ihre Frauen. Verflixt! Ihre Brüder waren ja jetzt verheiratet. Und während Jarrets Gattin Annabel nicht der Typ zu sein schien, der ein Frauenmagazin las, war Olivers Frau Maria eine begeisterte Leserin von Minervas Büchern. Sie hatte sich die erste Folge ihres neuen Romans sicherlich nicht entgehen lassen.
Minerva fluchte leise vor sich hin und ging zur Tür. Wie hatte sie Maria nur vergessen können? So wahr ihr Gott helfe, wenn ihre Schwägerin etwas getan hatte, das …
Ein Mann betrat den Salon. Aber es war keiner ihrer Brüder, und er war auch ganz bestimmt nicht zu einem Bewerbungsgespräch gekommen.
Er war der letzte, doch nicht der geringste Grund, warum sie inzwischen nicht mehr heiraten wollte. Giles Masters, ihre große Schwäche … und das Objekt einer äußerst gefährlichen Begierde. Wie bedauerlich, dass sie ihn immer noch, selbst nach so vielen Jahren, anziehender und weitaus interessanter fand als jeden anderen Mann!
Nicht, dass sie es sich jemals anmerken lassen würde. »Guten Morgen, Giles«, sagte sie mit eisiger Stimme.
»Wünsche ich dir auch, Gnädigste.« Er musterte sie mit dreistem Blick. »Du siehst gut aus heute.«
Das galt leider auch für ihn. Giles hatte es schon immer verstanden, sich elegant zu kleiden. Auch an diesem Tag war er in seiner maßgeschneiderten kobaltblauen Reitjacke, seiner gemusterten Weste aus himmelblauem Pikee, der weißen hirschledernen Hose und den auf Hochglanz polierten schwarzen Reitstiefeln eine strahlende Erscheinung. Er passte sehr gut in das Ambiente des Salons mit seinen Ming-Vasen und den goldenen Drachen, die ihre Verehrer einschüchtern und auf Abstand halten sollten.
Ihn allerdings würden sie nicht einschüchtern, das wusste sie. Und wenn er nicht wollte, konnte ihn auch niemand auf Abstand halten.
Sie bemühte sich, gleichgültig zu erscheinen. »Wenn du hier bist, um mit Jarret …«
»Ich bin hier, um
dich
zu besuchen.« Er warf etwas auf einen goldenen, mit Seide bezogenen Stuhl. »Ich bin zum Bewerbungsgespräch gekommen.«
Als sie sah, dass es sich um das
Lady’s Magazine
handelte, bekam sie Herzklopfen. Wie viel hatte er gelesen? Nur die Anzeige? Oder auch das erste Kapitel ihres neuen Romans? »Du beziehst das
Lady’s Magazine
?«, fragte sie mit – wie sie hoffte – genau dem richtigen Maß an Herablassung. »Wie drollig!«
»Nach dem Auflauf draußen im Vorgarten zu urteilen, bin ich nicht der Einzige.«
Sie sah ihn erstaunt an. »Was für ein Auflauf?«
»Du weißt nichts davon?« Er lachte. »Natürlich nicht. Du wärst inzwischen längst draußen und würdest Gabe und Oliver die Leviten lesen, wenn du wüsstest, dass sie die Herren abweisen, sobald sie eintreffen.«
»Also, diese arroganten, unverschämten … Was ist mit Jarret? Ist er auch dabei?«
»Anscheinend war er schon zur Brauerei unterwegs, als sich die Truppen gesammelt haben. Doch sie haben nach ihm geschickt, also wird er sich auch in die Schlacht stürzen, sobald er hier ist.« Giles lehnte sich grinsend gegen den Türrahmen. »Ich glaube, du wirst heute keinen anderen Mann zum Gespräch empfangen.«
Sie funkelte ihn wütend an. »Aber dich haben sie eingelassen.«
»Sie denken, ich will Jarret besuchen. Und ich habe es vorgezogen, sie in dem Glauben zu lassen. Offiziell warte ich im Arbeitszimmer auf ihn und drehe Däumchen.«
Sie ging
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