Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
die Arbeit im Lager wie gemacht, und statt mich im Verkauf einzusetzen, wolle sie mich zur Warenlagermeisterin befördern. Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte, aber dann bedankte ich mich artig und beschloss, das Beste daraus zu machen. Was war schon dabei, wenn ich ganz unten anfing? Sharon würde schon bald von selbst darauf kommen, dass es eine Verschwendung wäre, mich nicht im Verkauf einzusetzen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich etwas gefunden, worin ich wirklich gut war.
Wie hätte ich damals ahnen können, dass ich mit diesem Job all meine Hoffnungen und Träume zusammen mit dem ganzen anderen unnützen Krempel im hintersten Regal vergrub.
Bis heute, denke ich, als ich den Sicherheitscode eingebe und die Tür aufdrücke. Das harte Licht der Neonröhren flackert unstet,und dann ist der eben noch dunkle Raum plötzlich hell erleuchtet, und der Lagerraum erstrahlt in all seiner grauen Pracht und Herrlichkeit. Ich habe es zwar geschafft, hier penibel Ordnung zu schaffen, sodass es nicht mehr aussieht wie auf dem Speicher einer toten Oma, aber den weißen Anstrich, den er eigentlich bräuchte, habe ich dem Raum bisher nicht verpassen können. Als ich Sharon ein paar Monate, nachdem ich hier angefangen hatte, diesen Vorschlag machte, guckte sie mich an, als hätte ich nicht mehr alle Nadeln an der Tanne. Sie meinte, für derartigen Firlefanz sei kein Geld da. Stattdessen habe ich einfach ein paar kitschige bunte Titelblätter von Zeitschriften aus den Sechzigern und Siebzigern genommen und gerahmt an die Wand gehängt und dann zwei beschädigte Tiffanyleuchten neben dem Sofa aufgestellt. Und im Dezember drapiere ich immer Lichterketten um die Regale. Ich habe sogar einen echten Weihnachtsbaum gekauft, der seit der letzten Novemberwoche in meinem kleinen Aufenthaltsbereich steht und wacker weihnachtliche Stimmung verbreitet.
Ich schalte den Wasserkocher ein, und in dem Moment summt auch schon die Türklingel. Also tappe ich rüber und öffne schwungvoll die zweiflügelige Tür am rückwärtigen Ende des Wagenlagers, die zum Ladebereich führt, und dann muss ich lächeln, als mir ein freundliches sommersprossiges Gesicht entgegenstrahlt. Es ist Sam, der Lieferfahrer, der montags und donnerstags kommt. Ich freue mich immer auf seinen Besuch; manchmal ist er der einzige Mensch, den ich den lieben langen Tag zu Gesicht bekomme. Ja, im Grunde genommen ist er für mich mehr Arbeitskollege als die meisten anderen Angestellten von Hardy’s, mit denen ich kaum etwas zu tun habe. Wir haben uns gleich in der ersten Woche angefreundet, als ich noch dabei war, das Lager zu sortieren. Ich war etwas entmutigt vom schieren Ausmaß dieser Mammutaufgabe, aber nachdem er seine Fracht abgeladen hatte, setzte Sam sich zu mir und fertigte mitmir zusammen eine Skizze an. Er blieb sogar noch ein bisschen länger und half mir, den Raum umzuräumen, und schleppte für mich die schweren Kisten und Möbelstücke, die ich allein niemals hätte vom Fleck bewegen können. Ohne ihn hätte ich das alles nie im Leben geschafft, und unsere Freundschaft, die damals begann, ist seitdem immer enger geworden. Sam ist ein wirklich netter, entspannter Typ, mit dem man wunderbar reden kann. Mir kommt es fast vor, als würden wir uns schon ewig kennen, was irgendwie komisch ist, weil ich bisher noch nie mit einem Mann befreundet war. Die Freunde meiner Brüder behandelten mich immer wie ein dummes Kleinkind, und die Jungs aus meiner Klasse wollten nur mit den Mädchen befreundet sein, auf die sie standen. Weshalb es zur Abwechslung ganz schön war, mal jemanden wie Sam kennenzulernen. Ich glaube, wir sind einfach auf einer Wellenlänge. Wir sind etwa gleich alt, stecken beide beruflich in einer Sackgasse und arbeiten in Jobs, aus denen wir irgendwie nicht mehr herauskommen, und wir haben beide wesentlich länger als allgemein gesellschaftlich akzeptiert bei unseren Eltern gewohnt. Er ist der Jüngste von drei Geschwistern. Seine beiden Geschwister sind beruflich um ein Vielfaches erfolgreicher als er, was ich allerdings nicht verstehe, denn er ist klug, witzig, beredt, kreativ und süß – wenn man auf jungenhafte Männer mit verstrubbelten ahornsirupfarbenen Haaren, Dreitagebart und großen ausdrucksvollen Hundeaugen steht, wohlgemerkt. Er wollte immer als Fotograf für die großen Magazine arbeiten, muss aber gerade feststellen, wie schwer es ist, in einer derart hart umkämpften Branche einen Fuß in die Tür
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