Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Kleiderbügel und fürchte fast, das zarte Gespinst könnte sich in meinen Händen auflösen. Ich ziehe ein weiteres Kleidungsstück heraus, ein figurbetontes schwarzes Kleid mit tiefem Rückenausschnitt, dessen Rockteil mit Hunderten winzig kleiner Perlen besetzt ist. Noch nie habe ich so viele schöne Sachen auf einmal gesehen, geschweige denn anfassendürfen, und ich wage es kaum, sie zu berühren. Und um ehrlich zu sein, kann ich mir lebhaft vorstellen, dass es unseren Kunden ähnlich ergehen wird. Ich meine, ich weiß, Hardy’s braucht dringend eine zeitgemäße Verjüngungskur, aber das hier ist viel zu hoch gegriffen für unsere derzeitigen Kunden. Aber mich fragt ja keiner … zumindest noch nicht.
Als der Zeiger der Uhr quälend langsam auf neun vorrückt, bekomme ich ein leicht nervöses Flattern in der Magengrube. Ich bin ganz aufgeregt bei der Vorstellung, dass meine Kollegen mich, wenn sie erst von meiner Beförderung erfahren, endlich wie ihresgleichen behandeln werden. Die Vorfreude lässt mir einen wohligen Schauer über den Rücken laufen, als die Angestellten allmählich im Lagerraum eintrudeln, unserem neuen Treffpunkt für die wöchentliche Belegschaftsversammlung. Rupert war der Meinung, es sei schlecht fürs Geschäft, wenn potentielle Kunden uns während der Besprechung lethargisch um den Kassenbereich im Erdgeschoss herumlungern sehen. Seiner Ansicht nach schreckt so was die Kundschaft ab.
»Hallo, Sarah, meine Liebe!«
Mir wird ein bisschen schwer ums Herz, als Susan und Bernie, die beiden irischen Schwestern mit den silbergrauen Haaren, die seit vierzig Jahren in der Kurzwarenabteilung arbeiten, hereinspazieren und mich freundlich grüßen. Nicht mal ihnen ist aufgefallen, dass ich anstelle meiner Vorgängerin im Warenlager arbeite, obwohl ich ihnen als kleines Mädchen stundenlang geholfen habe, alte Knöpfe und Stoffmuster zu sortieren. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, hoffe ich insgeheim, dass sie irgendwann zwei und zwei zusammenzählen und ihnen ein Licht aufgeht. Vielleicht wäre das ja jetzt der richtige Moment, es ihnen zu sagen. Dann könnte ich mit meiner Beförderung noch mal ganz von vorne anfangen. Gerade will ich den Mund aufmachen und ihnensagen, wie ich wirklich heiße, da schneien Gwen und Jenny aus der Parfümerie herein.
»Hallooo, Sarah!«, zirpen sie im Chor.
»Hi«, brumme ich und gebe mich mal wieder geschlagen. Aber meine Laune bessert sich gleich wieder, als Carly flankiert von Paula und Tamsin hereinschwebt. Carly ist immer perfekt gestylt und von Natur aus sexy; Paula hat eine gewisse Strenge, so einen Achtziger-Jahre-Schick mit metallischem Lippenstift, blauem Lidschatten und toupierten, zurückgekämmten Haaren. Sie hat was von einer etwas moderneren Mrs. Slocombe aus der Sitcom Are You Being Served? , die ja auch in einem Londonder Kaufhaus spielte. Tamsin dagegen ist durch und durch ein Essexer Mädel: künstliche Fingernägel, künstliche Sonnenbankbräune, platinblond gefärbte Haare und verdächtig straffe Brüste.
Die Angestellten scharen sich um Carly, bestaunen mit offenem Mund ihr Outfit und kichern, als sie ihre gebannte Zuhörerschaft mit einer weiteren Anekdote ihrer berühmt-berüchtigten, verrückten wilden Nächte in den Szeneläden der Stadt unterhält.
»Ach, Carly«, japst Gwen und hält sich vor Lachen die Seiten, »du bist schon eine. Erzähl doch noch mal, was du zu diesen Fußballern gesagt hast.«
Nachdem sie ihre Geschichte zu Ende erzählt hat, bahnt Carly sich den Weg durch das bewundernde Publikum zu mir.
»Heya, Baby, wie geht’s?«, fragt sie herzlich. Ich lächele sie an. Wie immer sieht sie strahlend schön aus, heute in einem futuristisch anmutenden goldenen Paillettentop mit spitzen, hervorstechenden Schultern, die im rechten Winkel abstehen, ganz im Gegensatz zu dem restlichen Top, das ihren Körper umschmeichelt wie ein Lufthauch. Auf den ersten Blick erkenne ich das Teil als das Gainsbourg-Top. Sie muss eins für sich selbst vorbestellt haben, um es im Laden zu tragen. Sehr absatzfördernd, wobei eshier auch noch nie so eine verlockende Auswahl gab wie die aus der heutigen Lieferung.
»Was meinst du, worum es bei dieser geheimnisvollen Ankündigung wohl geht?«, fragt Carly mich ganz aufgeregt.
Verdutzt gucke ich sie an. Erst letzte Woche habe ich ihr erzählt, wie sehr ich auf eine Beförderung hoffe. Wobei ich gestehen muss, dass ich ihr gesagt habe, die Sache sei streng geheim und sie dürfe niemandem ein
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