Ein weißes Land
schmalen Augen wurde durch keinen Lidschlag unterbrochen. »Du denkst dir das aus. Was hast du wirklich getan?«
Ich wusste um die Gefahr, in der ich mich befand. Ich musste meinen Herrn davon überzeugen, dass ich die Wahrheit sprach, ansonsten würde ich jedes Vertrauen verlieren und verstoßen werden.
»Ich war bei einer Frau«, sagte ich und hob den Kopf. »Hier im Hotel, in einem Zimmer im nächsten Gang. Ich kann es zeigen.«
Der Großmufti überlegte, kratzte sich das Kinn und erhob sich.
»Es ist wichtig, mein Junge, du weißt das. Ich muss sicher sein, dass du nicht lügst. Führe mich hin.«
Alle zusammen verließen wir den Raum und zogen in einer merkwürdigen Prozession zum Schauplatz meines nächtlichen Abenteuers, das mir zunehmend unwirklich vorkam. Es fehlte nicht viel und ich hätte die Erinnerung an die letzte Nacht für reine Einbildung gehalten. Als ich die mit Löschsand gefüllten Eimer im Korridor sah und schließlich die offen stehende Tür zu den Räumen der Frau, beruhigte ich mich wieder. Ich beschleunigte meinen Schritt, um als Erster hineingehen und ihr diesen Besuch erklären zu können.
Der Raum jedoch war leer, die Fenster standen offen und der Schrankkoffer war verschwunden. Zwei Zimmermädchen arbeiteten im Schlafzimmer. Der Großmufti und seine Männer waren hinter mir stehen geblieben, blickten sich in dem vom Sonnenlicht durchfluteten Raum um und warteten.
Ich ging zu den Zimmermädchen, eine von ihnen war Elsa. Ich fragte sie nach der Frau und erfuhr, dass sie abgereist war. Mein Herr stand hinter mir und blickte mich skeptisch an. Die Zimmermädchen fuhren gleichmütig mit ihrer Arbeit fort, wechselten die Bettbezüge. Ich suchte nach einer Spur der vergangenen Nacht, nahm schließlich den seidenen Bettbezug und hielt ihn in die Höhe, fand den deutlich erkennbaren Fleck, den die Frau hatte entstehen lassen, als sie ihre Hand abwischte. Rasul und Bakr lachten wie Schuljungen, während sie den Fleck begutachteten.
Elsa ignorierte sie und sagte:
»Eine Schande ist das.«
Sie riss mir den Bettbezug aus der Hand.
»Schämen muss man sich«, fuhr sie empört fort, doch es kam ihr nicht in den Sinn, nach dem Grund für die Anwesenheit so vieler Gäste zu fragen.
Der Großmufti ging kopfschüttelnd aus dem Zimmer und zog mich mit sich.
»Das ist der Grund, warum du fort warst?«
»Ja«, erwiderte ich, nicht sicher, ob ich meinen Herrn überzeugt hatte.
Am Abend wartete ich auf die erste sich bietende Gelegenheit, um Fadil zur Rede zu stellen. Zu meiner Überraschung war er voller Zorn, baute sich vor mir auf und sagte:
»Du hast uns alle belogen. Niemals hast du hier mit einer Frau geschlafen, keine würde das mit dir tun. Du lügst, und der Fleck beweist gar nichts.«
Seine Empörung war echt und kurz wunderte ich mich, warum er so außer sich war, wo in Wahrheit doch ich allen Grund dazu hatte.
»Was willst du, ich hätte nie etwas darüber gesagt, wenn du mich nicht verraten hättest.«
»Ausgedacht hast du dir das und betrügst damit unseren Herrn genauso wie uns alle. Weil du ein Niemand bist, erzählst du solche Geschichten.«
Ich begriff, dass er die Ordnung, die durch diesen Vorfall verletzt worden war, wiederherstellen wollte.
»Ja, du glaubst, sie wäre besser zu dir gekommen, nicht wahr?«
Ich lachte höhnisch auf, da stieß er mich gegen die Wand. Mit einer Hand packte ich seinen Hals, wollte nichts mehr von ihm hören, ihn nur halten und sehen, wie sich die Haut seines Gesichtes verfärbte. Fadil ruckte herum, griff meinen Arm, doch war nicht im Stande, die Hand zu lösen. Langsam schloss ich die Finger, spürte den Kehlkopf in der Handfläche und die weiche Haut an den Fingern. Fadil konnte nichts tun als warten und mich anglotzen wie ein fürchterliches, unbezwingbares Wesen. Ausgerechnet der finstere Musa kam hereingestürmt, schlug sofort auf meinen Kopf ein und zerrte an mir.
»Du hast starke Hände«, sagte er anerkennend und begutachtete sie eingehend, als ich die Finger endlich gelockert hatte und Fadil wieder atmen konnte.
Ich schwieg über den Vorfall, egal, wie oft man mich danach fragte. Was hätte ich sagen sollen? Dass Fadil mich schon seit Bagdad mit seinem Neid verfolgte und mir der Gedanke, ausgerechnet für ihn verantwortlich zu sein, unerträglich war? Von nun herrschte Feindschaft zwischen uns, doch das bereitete mir kein Kopfzerbrechen. Die Fehde mit Fadil behinderte mich aber bei meinen Versuchen, mich als Teil der Gruppe um
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