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Ein weißes Land

Ein weißes Land

Titel: Ein weißes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherko Fatah
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den Rauch aus und sagte:
    »Was bist denn du für einer? Komm rüber, hier gibt’s was Besseres als Tee.«
    Es entstand eine Stille, die mich instinktiv alarmierte. Als Bote wusste ich, warum: Trotz der heiteren Stimmung blieb der Blick des Mannes fordernd auf mich gerichtet und ließ keinerlei Zweifel daran, dass er Gehorsam erwartete. Ich erhob mich, strich mein zerknittertes Hemd glatt und ging vorsichtig an den Tisch.
    »Nu mal nicht so steif«, fuhr mich der Mann an. »Komm, setz dich zu uns. Hier, da ist was zu trinken.« Er griff in den Kühler, holte die Flasche heraus, nahm das um den Hals geschlagene Tuch ab und goss sein eigenes Glas voll, um es sodann vor mich zu schieben.
    Alle am Tisch neigten sich zu mir, als erwarteten sie die Lösung eines Rätsels. Ich stellte mich vor und sagte ein paar Worte über den Großmufti und dessen Mission hier.
    Die glattrasierten Gesichter der Männer waren trotz des Lächelns hart, ihre Blicke abschätzig. Alle drei mussten um die dreißig sein, ihre Uniformen ließen sie älter aussehen. Jener, der sprach, hatte mehrere kleine Narben auf der Wange. Die beiden anderen hielten sich zurück, schienen zu ihm aufzublicken.
    »Habt ihr denn auch eure Liebsten dabei?«, wollte eine der Frauen wissen, tat erst, als würde sie sich ernsthaft erkundigen, brach dann aber in Kichern aus.
    »Ihr habt ja immer mehrere«, stellte einer der SS -Männer fest.
    Ich erklärte es ihnen, wies auch auf die Frau des Großmuftis hin und bekräftigte mehrmals, dass sie sich in Deutschland sehr wohlfühle.
    »Das ist schön, das ist sehr schön«, brummte der mir am nächsten Sitzende und zog an seiner Zigarre. »Du musst aber trotzdem aufpassen«, fügte er an.
    »Warum?«
    »Na, wenn du so herumläufst und die Leute nicht wissen, woher du kommst, in dieser Situation … « Er machte eine vielsagende Pause, bevor er fortfuhr: »Man könnte dich für einen Juden halten.«
    Die Frauen prusteten vor Vergnügen, sie waren offensichtlich schon recht betrunken.
    »Stimmt doch«, sagte der Mann, blickte sich um und hob die Schultern, »schaut ihn an. Er ist keiner, aber er sieht aus wie ein Jude.« Er wandte sich wieder an mich. »Das haben wir hier nicht mehr so oft. Du sollst nur vorsichtig sein, das ist alles, was ich sage.«
    Ich bedankte mich für den Rat.
    »Trink«, sagte der Mann. »Bist ein netter Bursche. Aber ich verstehe noch immer nicht, was du hier eigentlich tust. Du bist der Diener von dem Araber, ja?«
    »Ja«, erwiderte ich. »Und ich bewache ihn.«
    Die Männer grinsten.
    »Kannst du das denn, ich meine, ihn bewachen?«
    Ich verstand die Frage nicht, starrte auf meine Hände und schwieg.
    »Nimm an«, fuhr der Mann fort, »jemand würde kommen, die Treppen hinaufsteigen, durch die Gänge schleichen«, er ließ Zeige- und Mittelfinger über die Tischplatte laufen, »und dann plötzlich vor dir stehen, ein Messer in der Hand, um deinen Dienstherren zu töten. Was würdest du tun? Würdest du für ihn sterben?«
    »Ja«, sagte ich, ohne zu zögern.
    »Hast du so etwas schon mal getan?«
    Ich versuchte den Sinn der Frage zu ergründen. Die Frauen waren verstummt, als hätte all das nun eine besondere Bedeutung.
    »Ich meine, hast du schon einmal jemanden umgebracht?«
    »Ach, hört auf, das ist nicht schön, wir wollen doch feiern«, sagte eine der Frauen, doch der Mann hob nur die Hand.
    »In Kriegszeiten ist das eine ganz normale Frage. Das geht uns alle an.«
    »Aber nicht jetzt. Heute wollten wir fröhlich sein.«
    Der Mann hob erneut die Hand. »Wir feiern ja auch gleich weiter. Also, was ist?«
    Ich sagte ja und überlegte noch, ob ich mehr darüber erzählen sollte.
    Der Mann verzog die Lippen. »Das hätte ich nicht gedacht. Warst du in der Armee?«
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich musste einen Freund beschützen.«
    »Wie hast du es gemacht?«, fiel einer der anderen ein. »Wahrscheinlich damit, he?« Er hielt einen Dolch mit gravierter Klinge dicht über der Tischplatte.
    Der Mann neben mir schob die Hand beiseite.
    »Jetzt hört schon auf damit, sonst gehen wir«, murrte die zweite Frau und machte ein verstimmtes Gesicht. »Wir gehen sonst, wirklich.«
    »Ja«, sagte ich, »damit und damit.« Ich hob die Hände und hielt sie vor mich.
    »Donnerwetter«, lachte der mit dem Dolch.
    »Ist das wahr?«, fragte der Mann neben mir und ließ mich nicht aus den Augen.
    Blitzschnell ergriff er meine Linke, zog sie unter die Tischplatte und begann sie in seiner Hand

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