Ein weißes Land
es.
Der Karren hielt und der Händler sagte, wir sollten jetzt allein weitergehen. Er wies kurz in die Richtung eines langgestreckten Gebäudes mit einem gewaltigen Gitterzaun vor dem Eingang.
Auch auf der Straße gewahrte ich wieder, dass ich angestarrt wurde. Manche der Männer, die uns entgegenkamen, wichen nicht aus, sie erwarteten, dass die Frauen um sie herumgingen. Ich bin Luft für sie, dachte ich, ein Hindernis, mehr nicht.
Wir mussten lange warten, bevor geöffnet wurde. Als sich das schwere Gitter hinter mir schloss, riss ich die Abbaja herunter und warf sie zu Boden. Das wenige, was ich bin, will ich bleiben, dachte ich verzweifelt, sah noch einmal hinaus auf die Stadt, die Rauchschwaden und die offenen Münder zweier schweißüberströmter, aus irgendeinem Grund davonlaufender Männer und musste mich an den Metallstreben festhalten. Ich konnte nicht Abschied nehmen und, das wusste ich plötzlich, nichts würde mir Frieden geben.
Die schönen Häuser 2
1.
M ich weckte ein Flüstern, erwachend wusste ich nicht, wo ich war. Ich fühlte den harten Fußboden, blickte in einen matten Lichtschein hinauf und wunderte mich über den ungewohnten Geruch. Ich rappelte mich auf, blieb aber sitzen und erkannte ein Zimmermädchen, das vor mir stand, ein silbernes Tablett mit einer Kerze und einer Teetasse in den Händen.
»Der Herr hat Tee bestellt«, flüsterte sie und wies mit dem Kopf in Richtung Tür.
Wenn es sie befremdete, mich hier auf der Schwelle schlafen zu sehen, so ließ sie es sich nicht anmerken. Ich betrachtete sie im Licht der unter einem bunten Glasschirm flackernden Kerze. Sie gefiel mir sofort, und ich fragte mich, ob es an ihrer Uniform mit der spitzenverzierten Schürze und dem Häubchen lag. Sie hatte ein rundes Gesicht, volle, etwas trockene Lippen und abwesend wirkende Augen, die fiebrig glänzten, als wäre sie krank. Geduldig wartete sie, bis ich antwortete, ein Lächeln umspielte ihre Lippen, und als ich stumm blieb, wies sie noch einmal mit dem Kopf zur Tür. Was mag sie von mir denken?, fragte ich mich. Ich schämte mich nicht dafür, der Diener des wichtigen Mannes zu sein. Ich hatte es nie anders erlebt und wäre nicht auf den Gedanken gekommen, über meine Position nachzudenken. Doch jetzt, als ich die festen, mit silbernen Schnallen versehenen Schuhe des Zimmermädchens sah, ihre schwarzen Strümpfe und den dunklen, wie ein Vorhang wirkenden Rock, wurde mir unbehaglich zumute. Ich erhob mich, stand vor ihr und näherte mein Gesicht dem ihren, bis es auf der Haut kitzelte.
»Wie heißt du?«, flüsterte ich.
Ein breites, übermütiges Lächeln ließ mich erkennen, wie jung sie noch war.
»Elsa.« Sie kicherte und blickte sich andeutungsweise um, als hätte sie etwas Verbotenes getan.
Die Begegnung kam mir gelegen. In diesem Hotel herrschte ein strenges Regiment. Stets dunkel gekleidete Männer mit seltsamen Schnauzbärten streckten ihre dicken Bäuche heraus und paradierten durch die Vorhallen, als bewachten sie ungeahnte Schätze. Doch sie waren nur Diener wie ich, die alles und jeden umher im Auge behielten und jederzeit zur Stelle sein mussten. Der Unterschied zwischen ihnen und mir bestand in den Uniformen, die sie trugen und um die ich sie beneidete. Ausgiebig bestaunte ich die Technik in diesem Hotel, die der Arbeit der Diener eine ganz eigene, eine moderne Eleganz verlieh: Es gab eine Lichtanlage, die in verschiedenen Farben aufleuchtete, je nachdem, ob Zimmermädchen, Hoteldiener oder Kellner angefordert wurden. Es dauerte eine Weile, bis ich den Sinn dieses Lichtspiels verstanden hatte, dann aber erinnerte es mich an die drei Glöckchen über dem Hauseingang meines Herrn in Bagdad.
Auch die Köche bildeten eine gut organisierte Armee. Man sah sie nie, doch mit dem Dampf drangen ihre Stimmen, ihre Kommandos und Schreie aus der riesigen Küche. Außerhalb von ihr, unter den breiten Bögen der schweren Saaldecken und inmitten dunkler Ledermöbel, funktionierte alles still. Zu hören waren immer nur die Wartenden im Foyer und zuweilen die Gäste; der Lärm blieb diesem Haus fremd. Wenn ich auf die Straße hinaustrat, erschrak ich über die vielen Autos, die Busse, die Radfahrer und Passanten. Hier, in diesem stillen Haus, in dem selbst die üppigen Topfpflanzen braun wie Leder wirkten, dämmerte man vor sich hin, als wäre man an keinem bestimmten Ort, sondern nur ganz bei sich – und wer sehr reich und wichtig war, sehnte sich wohl nach diesem Zustand. Ich allerdings
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