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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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zum Beispiel, den häßlichen Offenbarungseid durch Schwur mit erhobener Treuhand vermeiden kann. Schließlich ging es nur noch albern zu. Jemand entwarf Kleinanzeigen: »Treuhand sucht Maniküre!« – »Treuhandschuhe preiswert im Angebot!« Und so weiter. Als Fonty uns verließ, gelang ihm die historische Verklammerung seiner Tätigkeiten. Schon im Mantel rief er von der Tür aus: »Treuhand heute ist nicht besser als Manteuffel damals, zahlt aber mehr.«
    Wir haben nachgerechnet und dabei die Kaufkraft von Talern mit der Härte der Mark verglichen. Es stimmt: Große Sprünge konnte sich der Unsterbliche weder in London noch in Berlin leisten, so knausrig hat Preußen seinen Untertan entlohnt.
    Er machte Überstunden. Der freie Mitarbeiter Theo Wuttke wollte das an ihn ausgezahlte Geld wert sein und beschränkte sich nicht auf die historischen Abschnitte jeweils zum Tiefpunkt geführter Herrschaftsperioden von mehr oder weniger kurzer Dauer. Weder die Aufgaben des Reichsluftfahrtministeriums im Dritten Reich noch die Tätigkeit von zehn bis zwölf Ministerien während der vierzig Jahre deutscher Arbeiter-und Bauern-Staat konnten dem Chronisten genug sein. Er begann mit der Vorgeschichte der den Gebäudekomplex flankierenden Straßen. Nach der Leipziger, die ihren Namen nicht ändern mußte, schritt er die Prinz-Albrecht-Straße ab, die, bis auf Widerruf, nach der Kommunistin Käthe Niederkirchner umbenannt worden war. Weitläufig erging er sich auf der Wilhelmstraße, die zwar noch immer nach einem der Gründungsväter des kurz, aber real existierenden Staates hieß, doch bald wieder unter preußischem Herrschernamen ihren Verlauf nehmen sollte. Also begann er mit Zinn- und Bleisoldaten zu spielen. Er ließ den Wilhelmplatz und dessen bauliche Veränderungen aufleben. Ihm wollte nicht enden, was einmal gewesen war. Sein Entwurf bewies Gardemaß: Anhand des Plans der Friedrichstadt von 1732 skizzierte Fonty das große Exerzierfeld aller in Berlin kasernierten Regimenter und ließ diese namentlich, vom Regiment Alexander bis zum Regiment Gendarmes, aufmarschieren und paradieren. Er zählte die bis 1800 errichteten Standbilder ruhmreicher Feldherren von Seydlitz bis Zieten auf, entwarf aufs neue die symmetrische Gliederung des Platzes durch den Baumeister Lenné, verwandelte die Paradeanlage durch den ab 1908 beginnenden U-Bahnbau zur Großbaustelle, benannte alle Palais um den Platz und entlang der Wilhelmstraße, prunkte mit den Namen märkisch-preußischer Adelsgeschlechter und kam so zum Palais Schulenburg, das ab 1875 dem Kanzler Bismarck als Privatwohnung und Amtssitz diente. Er erlaubte sich einen besonderen Abschnitt, indem er lange und anekdotisch beim Schwefelgelben verweilte und diesen mit nachgespitztem Blei mal auf-, mal abwertete; sogar als Zielscheibe mißglückter Attentate sah er ihn. Zudem wollten Auftragsgedichte zitiert werden, etwa das den jünglingshaften Junker feiernde »In Lockenfülle das blonde Haar, allzeit im Sattel und neunzehn Jahr …« oder das spät geschriebene »Wo Bismarck liegen soll«, das der Unsterbliche dem Gründer des Reiches von kurzer Dauer am 31. Juli 1898 halbwegs versöhnt und selbst dem Grubenrand nahe auf Wunsch seines Sohnes Friedel nachgerufen hatte. Reichsgründung, Gründerzeit: Eine Vielzahl Ministerien forderten Raum und machten, von Fonty aufgezählt, den Wilhelmplatz und die Wilhelmstraße zum beherrschenden Zentrum. Das geriet ihm zu breit, er mußte streichen. Doch auf das Großhotel Kaiserhof als Bezugspunkt für späteres Geschehen wollte er nicht verzichten; denn in den Erweiterungsbau der Reichskanzlei, die während der knappen Zwischenzeit der Weimarer Republik entstand, zog im Jahr 1933 ein weiterer Reichsgründer von kurzer Dauer ein, der zuvor abwartend im Kaiserhof Quartier belegt hatte. Zugleich nahm der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda vom ehemaligen Palais des Prinzen Friedrich Karl Besitz, das in den folgenden Jahren, weil Propaganda über alles ging, in mehreren Bauabschnitten erweitert wurde.
    Er vergaß kein Detail des neuesten Willens zur Macht. Als 1935 der Reichskanzlei, auf Wunsch, ein »Führerbalkon« angeklebt werden mußte, von dem herab nach italienischem Vorbild -die immer häufiger versammelten Volksmassen mit gestrecktem oder angewinkeltem Arm begrüßt werden sollten, war der Zeitpunkt für weit größere Baumaßnahmen erreicht. Endlich kam Fonty zur Sache. Auf einem geräumigen, von der Wilhelm-,

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