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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Leipziger-und Prinz-Albrecht-Straße begrenzten Areal begann die Abräumarbeit für das geplante Reichsluftfahrtministerium, in dessen Nutzfläche das bestehende Gebäude sowie das ehemalige Preußische Herrenhaus und das Preußische Abgeordnetenhaus einbezogen werden sollten. Weitere Großbaupläne wurden durch den Krieg zunichte gemacht. Seinen Schlägen entging nur wenig. Er planierte alle zuvor genannten Bauwerke, nur nicht des Reichsmarschalls steingewordenen Komplex.
    Wir sind bemüht, einige unverkennbar in die Geschichte eingegangene Personen nicht beim Namen zu nennen. Dabei folgen wir Fonty, dem Bezeichnungen wie »der Führer« und »der Reichsmarschall«, aber auch Metaphern für einstige oder noch amtierende Kanzler, etwa »schwefelgelber Heulhuber« und »regierende Masse«, genug waren oder mehr sagten. Wenn wir dabei nicht immer konsequent sind, entspricht auch das Fontys Launen. Jetzt erst ließ er sich auf des Reichsmarschalls Bauherrngeschichte ein. Er nannte das gesamte Vorhaben »eine gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die dazu führte, daß viele tausend Erwerbslose zu Lohn und Brot kamen, indem sie mit dem Abbruch von zweihundertsechzigtausend Kubikmetern Altbau zugleich mit einem Neubau begannen: in Tag- und Nachtschichten an acht verschiedenen Stellen; woraus man schließen kann, daß sich staatslenkende Verbrecher gerne durch Wohltaten legitimieren«.
    Nach den Plänen des Architekten Ernst Sagebiel, der später den Flughafen Tempelhof in vergleichbaren Dimensionen baute, waren solch sinnbildliche Arbeitsvorgänge Ausdruck völkischen Willens: Abriß gleich Aufbau. Alles mußte in Rekordzeit geschehen. Nach einem halben Jahr schon waren – bald nach dem Richtfest – tausend Diensträume bezugsfertig. Und nach einjähriger Bauzeit konnte der gesamte Gebäudekomplex mit einer Nutzfläche von zweiundfünfzigtausend Quadratmetern, nicht mitgezählt die Räume des Herren- und Abgeordnetenhauses, das zum »Haus der Flieger« umgebaut wurde, zur Nutzung übergeben werden. Fonty verkniff sich eigene Meinung. Nur sparsam kommentierte er die Baugeschichte des Reichsluftfahrtministeriums. Allenfalls erlaubte er sich ein ironisches »Übrigens …« mit Hinweisen auf mögliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Treuhand in Zwickau oder Eisenhüttenstadt. Nur ein Schlenker wies auf die über Jahrhunderte gedehnte Errichtung des Kölner Doms hin. Doch ausgiebig wurden Bau- und Nutzungsbeschreibungen zitiert: »Die Grundrißordnung der Anlage bildet vier zum Park hin offene Höfe und umschließt vier Innenhöfe. In der Wilhelmstraße ist dem Haupteingang ein großer Ehrenhof vorgelagert. Das Rückgrat des Grundrisses ist der durchlaufende Nordsüdtrakt; parkwärts sind rechtwinklig die erweiterten vier niedrigeren Büroflügel angeschlossen; straßenseitig setzen sich die Flügel mit erhöhter Stockwerkzahl fort, die mittleren umschließen den Ehrenhof …« Da er die in Auftrag gegebene Schrift als historisch bedingt verstand und uns gegenüber häufig von »meiner rückblickenden und höllisch am Detail klebenden Denkschrift« sprach, war es ihm selbstverständlich, zeittypische Einzelheiten zu betonen, so die Vielzahl der Hoheitszeichen und die einheitliche Fassadenverkleidung in Platten von acht Größen, die aus etwa fünfzig fränkischen Steinbruchbetrieben kurzfristig geliefert wurden. Er unterstrich die Menge »dreißigtausend Quadratmeter silbergrauer Muschelkalk« und fügte in Klammern hinzu: »Genauso dümmlich eintöniges Gestein wie des Führers Lieblingsmarmor Travertin, doch im Meterpreis kolossal billig.« Bei den Säulen zum Hauptportal hielt er sich nur kurz auf, vergaß aber nicht die beiden bronzenen Adler, die ihren Sitz auf zwei Pfeilern hatten, jeweils ein Hakenkreuz in den Klauen hielten und den hohen, kunstgeschmiedeten Eisenzaun vor dem Ehrenhof gliederten, indem sie für Symmetrie bürgten. Gleichfalls war ihm ein steingehauenes Relief des Bildhauers Arno Waldschmidt wichtig, das die offene Pfeilerhalle vor dem Eingang für den Geschäftsverkehr schmückte und von der Leipziger Straße aus zur Ansicht kam: eine Kolonne todsicher geradeaus marschierender Stahlhelmträger. Schon im nächsten Absatz meldete Fonty die zeitbedingte Zerstörung des Soldatenreliefs und zugleich den nachgelieferten Ersatzschmuck: ein Wandfliesenbild des Malers Max Lingner von fünfundzwanzig Meter Länge, auf dem viel Personal frohgestimmt Begeisterung bekundet. Mit diesem kleinteiligen

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