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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Monumentalwerk leitete er den Übergang vom Dritten Reich zum Arbeiterund Bauern-Staat, also zum Haus der Ministerien ein. Weiterhin unterstrich er Mengenangaben, so die »sage und schreibe tausendsiebenhundertfünfzehn in fünfzehn Reihen angeordneten Fliesen aus Meißner Porzellan«. Er nannte das Wandbild, auf dem Werktätige, solche der Stirn und der Faust, aber auch lachende jugendliche bei Ziehharmonika-und Gitarrenmusik in die Zukunft schreiten und dabei einfarbige Fahnen hochhalten, während im Hintergrund Baugerüste und rauchende Schlote für Fortschritt stehen, »den plattesten Ausdruck des sozialistischen Realismus«.
    Dann verglich er die in den Tod ziehenden Soldaten des Waldschmidt-Reliefs mit den auf Fliesen versammelten Proletariern, war übergangslos bei anderen heroisierenden Schinken, so bei dem Großbild des preußischen Hofmalers Anton von Werner und dessen Jubelmotiv – die Ausrufung des deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal zu Versailles –, ließ schließlich alle drei Auftragsarbeiten in historischer Folge Revue passieren und notierte am Rand: »Selbst wenn Werktätige besser als Todgeweihte sind, es kam nur Mumpitz dabei raus. Fing mit Hurrageschrei an und endete jammervoll. Auf siebenundvierzig Jahre Kaiserreich folgten kaum dreizehn Jahre Weimarer Republik. Und wenn die knapp zwölfeinhalb Jahre Drittes Reich mit den vier Jahrzehnten Arbeiter- und Bauern-Staat zu verrechnen sind, steht nur noch deutsche Kurzatmigkeit unterm Strich.« Mit Hilfe dieser Bilanz war er abermals beim zuletzt genannten Staatswesen. Das aus Porzellanfliesen gekachelte Wandbild entstand 1952. Sodann unterstrich Fonty dick den 7. Oktober 1949. Damals wurde im großen Sitzungssaal des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums, vor dessen geschmückter Stirnseite einst aus erhöhtem Ledersessel der Reichsmarschall Befehle erteilt hatte, der Arbeiter- und Bauern-Staat als Deutsche Demokratische Republik ins Leben gerufen; verständlich als Echo auf die zuvor beschlossene Gründung der westlichen Bundesrepublik Deutschland, der sich jüngst erst der östliche Teilstaat aus freien Stücken mitsamt seinem Volkseigentum verschrieben hatte. »Ob ein Staat besser ist, als zwei waren, wird sich noch zeigen«, kritzelte Fonty in Klammern an den Rand seiner Denkschrift für Reklamezwecke. Er wollte sich nicht zufriedengeben. Zwar stand das Gebäude, doch kamen ihm die über zweitausend Diensträume wie unbelebt vor. Versuchsweise ließ er frischdekorierte Lufthelden mit Eichenlaub zum Ritterkreuz am Hals auftreten, über Korridore flanieren und im Paternoster auf und ab fahren. Er erlaubte ihnen zackige Auftritte in der Empfangshalle, schob sie wie Zinnsoldaten hin und her, zählte, sofern sie Jagdflieger waren, ihre Abschußerfolge auf, führte sie mal als Dummschwätzer, dann als melancholische Todesengel vor, kam auf gefeierte Fliegerasse wie Galland, Mölders, Rudel, hatte ein Dutzend durchschlagende, bombensichere, blitzschnelle Typen parat, wußte von legendären Stuka- und He-III-Einsätzen, von der Luftschlacht über England und den Fallschirmspringern auf Kreta zu berichten, war mit allen Jagdflugzeugen, von der Me 109 bis zu den allerletzten Nachtjägermodellen, vertraut, vergaß den zuverlässigen Transporter Ju 52 nicht, unterschlug weder den Dauerstreit zwischen den Generälen Milch und Udet noch den Verschleiß von Menschen und Material sowie den frühen Verlust der Lufthoheit über dem Reich. Er streute sogar Flüsterwitze, die den Reichsmarschall zum Ziel hatten, in seinen ausufernden Bericht; und doch brachte erst die Aufbahrung der beiden Heldengestalten Udet und Mölders ein wenig Leben in die Bude: Zwar konnten die pompösen Totenfeiern im Ehrenhof weder den Selbstmord des einen noch den Unglücksfall des anderen Lufthelden bemänteln, aber erhebend schauerlich ging es allemal zu. Zuviel Material. Fonty strich mehr, als er stehenließ. Aber die Darstellung der nun folgenden Phase litt gleichfalls unter dem Aufmarsch von Zahlenkolonnen. Genitivisch geklitterte Wortungeheuer, die der Arbeiter- und BauernStaat am fließenden Band produziert hatte, machten sich breit. Die Leistungen der unter einem Dach versammelten Ministerien waren nur mit drögen oder geschönten Planerfüllungsdaten zu belegen. Spruchbänder von diesem und jenem Parteitag. Papierne Auslassungen des Zentralkomitees. Unsere Hauptaufgabe lautet … Auf dem elften Plenum wurde beschlossen …
    Und nun drohte die jüngst begonnene Phase in Zahlen

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