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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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gesagt, eine Phoenix canariensis, die sich als Zimmerpalme eignet. Und wenn mir, mein liebes Kind, Dein ach so schwieriges Verhältnis (zwischen den Stühlen und wohl auch Betten) in den Sinn kommt, erinnert mich mein exotisches Einzelstück in seinem eher schütteren Zustand sogleich an das van der Straatensche Palmenhaus, in dem sich, kaum hat der Gärtner Kagelmann ›Jott, Frau Rätin, Palme paßt immer‹ gesagt, die schöne Melanie und der entflammte Bankierssohn Rubehn in ehebrecherischer Absicht treffen. Dort bedrängten sich hochragende Palmen, Drakäen und Riesenfarne, durchrankt von stark duftenden Orchideen. Ein kolossaler Tropenwald unter eine Glasglocke gestellt. Kein Wunder, daß das Paar in schlaffer Luft schwer atmete, während beide Worte flüsterten, so heiß, so süß …
    Du weißt, mein Kind, daß ich nirgendwo, weder in ›Irrungen, Wirrungen‹, wo Hankels Ablage mit einem Doppelzimmer Gelegenheit bietet, noch in ›Unwiederbringlich‹, bevor der Schloßbrand ausbricht, deutlich werde. Die berühmten Stellen, zumeist Gipfel der Geschmacklosigkeit, vermeide ich. Effis Brief an Crampas und die Zettel von Crampas an Effi sagen, ohne wortwörtlich zu werden, genug und verraten alles. Deshalb will ich Dir nicht, was Deinen Professor betrifft, mit Fragen kommen, die prompt ins schwüle Treibhaus führen müßten, doch wäre mir wohler, wenn ich mich mit der Gewißheit auf die Reise machen könnte: Meine Madeleine ist frei und atmet in frischer Luft. Übrigens werde ich bald ohne Zimmerpalme sein. Man hat mir den Dienstraum gekündigt. Schon übermorgen müssen die Palme und ich räumen; es schreibt Dir also gewissermaßen ein Obdachloser, dem man zwar ›weitere Verwendung im Außendienst‹ zugesagt hat, aber halten kann mich das nicht. Ich muß raus, weg, weit weg! Mir geht es wie weiland dem Brieffreund Friedlaender, dem ein ehrengerichtliches Verfahren – dämliche Offiziersgeschichte, doch nicht mit der Affäre Dreyfus zu vergleichen – den Atem eng gemacht hat; natürlich spielte, daß er Jude war (ein seit dem Feldzug in Frankreich mit dem Eisernen Kreuz dekorierter), eine gewisse Rolle. Womit ich bei Professor Freundlich bin: Er ist tot. Ach, Kind, um mich ist es leer geworden. Ihn hat hier nichts mehr halten können; und auch meine Wenigkeit befindet sich auf dem Sprung. Alles sagt mir: Nichts wie raus aus dem Land, in dem für alle Zeit Buchenwald nahe Weimar liegt, das nicht mehr meines ist oder sein darf, in dem mich zu wenig hält. Schon die alte Frau von Wangenheim hat das furchtbar richtig gesehen, als sie mit ihrem allerkatholischsten Gesicht sagte: ›Preußen-Deutschland birgt keine Verheißung!‹ Und deshalb wollte ich, kurz bevor mir (per Telegramm übrigens) die schreckliche Nachricht kam, an Freundlich schreiben: ›Nichts wie dünnemachen! Hier will Sie niemand. Höchstens als Watschenmann sind Sie Ihren westlich getrimmten Kollegen noch tauglich. Wegevaluiert hat man Sie. Ohne den hierzulande -sei’s geklagt – allwetterbeständigen Antisemitismus überstrapazieren zu wollen, ahne ich doch, aus welcher Hofpredigerecke der Wind bläst. Selbst mir, der ich märkischer aussehe, als mir lieb ist, widerfuhr jüngst – und zum wiederholten Male -im Tiergarten eine Attacke, als hätten Treitschke und Stöcker das Kommando geführt. Sogenannte Skins, vier an der Zahl, beehrten mich in Nähe meiner Lieblingsbank. Standen plötzlich da, hatten den stieren Blick und wahre Totschläger in den Händen. ›Juden raus!‹ Mehr fiel ihnen nicht ein. Nur Gebrüll und Bierdunst. Da hob ich meinen Wanderstock, kramte ein wenig Mut und mein Etappenfranzösisch zusammen ’Allez, mes enfants!’, dann deutlicher: ’Imbéciles!’ –, und weg waren sie. Sie mögen lächeln, mein lieber Freund, doch bitte ich zu bedenken, daß es durchaus hätte brenzlig werden können, denn mittlerweile setzt hier alles auf Gewalt, die Treuhand voran. Also Klimawechsel, bevor es zu spät ist!‹ Das wollte ich meinem langjährigen Brieffreund raten, da hat er endgültig Abschied genommen. (Habe dann aber an seinem Grab in diesem Sinn gesprochen und Deutschland ein in des Wortes weitreichendster Bedeutung ›Auswandererland‹ genannt.) Schätze, daß er aus Volksarmeezeiten Freundlich war Leutnant der Reserve – eine Dienstpistole parat hatte. Nun wirst Du verstehen, mein Kind, daß sich Dein Großvater nur noch wegwünschen kann, denn hier hat alles schon wieder den märkischen Mischgeruch von Kiefer

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