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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Londoner Tagen, immerhin einige Romanhelden, zum Beispiel den Weltreisenden und Kabelleger Leslie-Gordon, ausgepumpt hat, damit er, der so schönen wie überspannten Cécile wegen, dem geübten Oberst a. D. St. Arnaud vor die Pistole geraten durfte. Du hast mich oft gefragt, warum meine Frauengestalten alle einen Knacks weghaben? Nun, gerade dadurch sind sie mir lieb. Soviel, um Cécile und Effi – aber auch meine Mete -ein wenig zu erklären. Erinnere Dich bitte: Wann immer Du ins Theater gingst, fiel Dir regelmäßig ein Operngucker auf den Kopf oder Ähnliches …«
    Dann, nachdem er die Briefwaage befragt und den letzten Metebrief frankiert hatte, schrieb Fonty sachlich und kurz an seine Söhne Teddy und Friedel. Dem einen teilte er mit, daß man sich ohnehin nichts mehr zu sagen habe – »Schon bald könnte sich zeigen, daß selbst Du, der Tugendritter, in keine Vortrefflichkeitsschablone mehr passen wirst …« den anderen bat er, vom ohnhin zerredeten Buchprojekt abzusehen: »Wahrscheinlich sind meine Kulturbundvorträge für den heutigen Leser, der nach Enthüllungen giert, unerlaubt unbedeutend. Zudem erspare ich mir Rezensionen …«
    Übrigens hat er alle Abschiedsbriefe schwungvoll und nunmehr beim großen T wie beim F mit Schnörkeln prunkend zu Papier gebracht, indem er von der Stahlfeder abließ und zum Schwanenkiel griff. So bei den kurzen Schreiben an literarisch bedeutsame Personen wie das Ehepaar Wolf und den Dramatiker Müller, aus denen wir nur zurückhaltend zitieren. Während er den Dramatiker, der jüngst Vater geworden war, vor unartigen Kindern warnte, die Phosphorhölzer in den Kaffee schaben und Stecknadeln in Brotstücke stecken, hinterließ er der in ihrer Berühmtheit einst gefeierten, dann niedergemachten Schriftstellerin die Summe seiner Erfahrungen: »Oft ist es die gleiche Firma, die Denkmäler und Scheiterhaufen errichtet …« Nur Frau Professor Jolles gegenüber, der er seinen Besuch ankündigte und die er, nun schon überschwenglich reiselustig, als eine »Miss Marple auf den Spuren meiner Londoner Jahre« feierte, hat er sich, was Reiseziel und Ankunft betraf, deutlich gemacht: »Habe, um mir die Strapazen von Bahn und Fährschiff zu ersparen, einen Direktflug gebucht …« An Emmi Wuttke schrieb er nicht. Sie wußte ohnehin Bescheid. Später hat sie uns gesagt: »Gott, Sie hätten mal meinen Wuttke zu Haus sehn solln. Den konnt man nich halten mehr. Hab gar nich versucht erst. Daß ihm die Treuhand das Zimmer genommen hat, wo er doch in dem Kasten immer schon, vonner Reichsluftfahrt an, rein und raus gegangen is, das hat ihn nich nur gewurmt, das hat er persönlich genommen. Und dann noch das Telegramm. Er hat gleich gewußt, was los war, noch vorm Brief, in dem alles drinstand. Schlimm, wirklich schlimm für ihn. Aber das sag ich nur Ihnen: Hat richtig geweint, mein Wuttke. Doch weg wollt er schon vorher, sich freimachen, hat er gesagt, auch von mir, was, muß ich sagen, richtig schlimm weh getan hat, immer noch. Aber ich hab mir gesagt: Wenn er Tapetenwechsel braucht, na bittschön. Soll er doch abhaun, von mir aus. Der kommt schon wieder …«
    Er schnallte sich sogleich an. Wenn wir vom Archiv zu dieser lapidaren Aussage kommen, entspricht das nicht nur unseren Vorstellungen von Fonty, sondern auch den Folgen unserer Dienstleistungen: Wir haben den Flug gebucht, wir haben den Fensterplatz, Nichtraucher, bestellt, wir haben für ihn das Ticket bezahlt und abgeholt. Sogar für die Fahrt nach Tegel haben wir, ab Bahnhof Zoo, mit einem Taxi gesorgt. Einer von uns half beim Einchecken. Und eine unserer Damen hat ihn bis zur Paßkontrolle begleitet. Das war sein Wunsch gewesen, den er zum Schluß seines Abschiedsbesuchs wie eine Nebensächlichkeit ausgesprochen hat: »Übrigens bin ich ein wenig berlinmüde und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir möglichst unauffällig …« Er vertraute uns. Und selbstverständlich hat er die Kosten des einfachen Fluges in bar zurückerstattet, als er, wie verabredet, am Bahnhof unter der Uhr stand: reisefertig, mit leichtem Bambusstock, Strohhut und neuem Paletot, den er, lässig gefaltet, überm Arm trug. Neben ihm Koffer und Reisetasche, als ginge es in die Sommerfrische. Zu jener Zeit waren wir schon, laut Übernahmevertrag, in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingegliedert. Die neue Aufsicht hätte ihn mißtrauisch machen können, denn einige kauffrische Anschaffungen, der Tischcomputer, das Faxgerät, hatten ihn verblüfft, dennoch

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