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Ein weites Feld

Ein weites Feld

Titel: Ein weites Feld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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und Kaserne. Kurzum: ich will, wie der Berliner sagt, einfach verduften, Dir aber, sobald mir anderswo, und möglichst dem deutsch-deutschen Schußwechsel entlegen, ein fröhliches Auftauchen gelingt, mehrere und vielsagende Blinkzeichen geben; ohne meine Madeleine und ihre Briefchen, ohne Dich, meine zartbittre Person, könnte ich nirgendwo froh werden …«
    Selbst nach Schwerin schrieb Fonty nicht ohne Anspielung auf die wendeltreppig aufstrebende Etagere. Zwei Topfpflanzen, die ihm Frau Frühauf kurz vor dem Abtauchen dazugestellt hatte, Goldlack und Petunie, erlaubten ihm Zugang in die Dörrsche Gärtnerei: »… schräg gegenüber dem Zoologischen.« Er versicherte Martha gleich zu Beginn des Briefes: »Nur darfst Du nicht glauben, daß diese Zimmerpflanzen bloße Setzlinge sind wie die Schummelware des schrumpeligen Marktlieferanten Dörr, in dessen Nachbarschaft die alte Frau Nimptsch und ihre Pflegetochter Lene hausten; vielmehr sind sie im Topf gezogen und blühen prächtig, besonders die Petunie. Also sollte ich bei Laune sein. Doch wie Du weißt, fehlt immer das Wichtigste. Zum Beispiel ein Heliotrop, der nicht nur bei den Briests an zentraler Stelle stand, nein, selbst im Kleinleutemilieu der Möhrings fand sich in der guten Stube ein allerdings für den lernfaulen Hugo Großmann, der an den Masern erkrankt war, zu stark riechender Heliotrop. Hier ist zwar alles da, Zimmerpalme und Fleißiges Lieschen, doch sie, meine eigentliche Blume, fehlt schmerzlich. Dabei wird die Klapprigkeit immer größer. Wenn ich mich umsehe, hält sich nur Menzel, versteinert zwar, aber deshalb ficht ihn nichts an. Mich hingegen kränkt vieles zugleich. (Vom schmerzlichsten Verlust, der mich stumm macht, wird Dir gewiß Mama geschrieben haben.) Bleibt noch vom Rest zu berichten: der Ausverkauf! Wie aus Sicht des märkischen Adels – die Quitzows voran – die Mark an die Hohenzollern verschachert worden ist, so gilt sie gegenwärtig den einfallenden Siegern als bloßes Schnäppchen. Diesem Handel kann ich nicht zusehen.
    Mit anderen Worten: Dein alter Vater ist auf dem Weg, wenn nicht die Blaue Blume, dann doch den hier vermißten Heliotrop zu suchen. Und da ich weiß, daß allein Du mich verstehst – mehr als geglückt ist meiner Mete im letzten Klagebrief die Wendung von den ›vielmotivigen Mogelplänen‹ ihres Grundmann –, schreibe ich Dir so frei heraus. Mit Mama habe ich, während nebenbei ›Lindenstraße‹ oder ›Golden Girls‹ lief, in Grenzen vernünftig gesprochen. Zwar fehlt es ihr am eigentlichen Einsehen, aber immerhin hat sie begriffen, daß ich nicht anders kann. Ich weiß, Vergleiche hinken; dennoch habe ich ihr in Erinnerung rufen müssen, daß wir uns auf einem Punkte wie anno 76 befinden, als ich – wie Jahre zuvor die Kreuzzeitung – den Akademiekram hinschmeißen und mich, auf jedes Risiko hin, freimachen mußte. Niemand hat mich damals verstehen wollen, selbst meine Mete nicht, als ich, aus ähnlichem Ärger, dem Kulturbund Lebewohl zu sagen gezwungen war. Nunja, heute stehen die Dinge nicht weniger schwierig. Die Lage allgemein, dieser Kladderadatsch, der sich Gegenwart nennt … Doch vor allem sorge ich mich um Dich, hast Du doch letzthin von Trennung, gar Scheidung geschrieben. Dabei werde ich kaum helfen können. Zwar weiß ich mich von allen kleinstriezigen Gedanken über ›Eheglück‹ frei, was aber Deinen Mann betrifft, den Du Dir als wohlwollenden und, wie es aussah, soliden Bauunternehmer geleistet hast und der nun seinem Namen als Grundstücksspekulant Tribut zollt, kann ich nur sagen: Auch er ist ein Kind seiner Zeit; denn wenn er nun im Dutzend Schlösser und Herrensitze aufkauft -was alles mal von klangvollem Namen gewesen ist –, entspricht das dem Geist dieser Tage. Es ist wohl so, daß der Sieg über den Kommunismus den Kapitalismus tollwütig gemacht hat. Deshalb habe ich Eckhard Freundlich, kurz bevor er sich ein Ende befahl, dringlich raten wollen, gleich mir die Kurve zu kratzen: ›In Deutschland ist keine Bleibe mehr.‹ Du wirst Dich fragen, wohin? Warum hätte er nicht dort Zelte bauen können, wo das Großkapital mit gottgewisser Selbstverständlichkeit seine Tempel türmt? Nehme an, daß des Weimarers Stoßseufzer angesichts hiesiger Zustände, ›Amerika, du hast es besser‹, immer noch gilt. (Außerdem wäre er dort Mexiko, dem Ort seiner Kindheit, näher gewesen.)
    Ich hingegen liebäugle schon wieder mal mit jener Insel, die mir, außer halbwegs unterhaltsamen

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