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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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schlenkerte die Sandalen von den Füßen und begann, Rock und Bluse
auszuziehen. »Wir müssen uns beeilen; Ihr Flug hatte Verspätung.«
    Ich tauschte Jacke, Jeans und T-Shirt
gegen ihre Klamotten und setzte mich dann auf den Boden, um meine Turnschuhe
aufzuschnüren. Edie drückte mir den Schlapphut — ebenfalls pink, mit
malvenfarbenen Röschen — aufs Haupt. Und fing an zu lachen. »Was ist?« fragte
ich.
    Sie zeigte auf den Spiegel. »Ganz
schöne Persönlichkeitsveränderung.«
    Die Gestalt, die mir entgegensah, war
eine Kreuzung aus Blanche DuBois und der Stadtstreicherin aus meinem Viertel.
»Du liebe Güte«, sagte ich. »Und so soll ich mich in die Öffentlichkeit wagen?«
    Edie setzte sich neben mich und zog
meine Schuhe an. »Na ja, sieht schon ziemlich daneben aus, aber nicht mal Ihre
eigene Mutter würde Sie wiedererkennen, und darum geht es, hat Lanny gesagt.«
    »Lanny?«
    »Der Typ, in dessen Haus Sie auf den
Keys übernachtet haben.«
    »Oh. Er war nicht da, und sein Name
fiel nie.«
    »Typisch Lanny — so heikel, wenn’s um
seinen Namen geht, und so schlampig, wenn’s um sein Haus geht.« Sie stand auf,
kippte den Inhalt einer muschelbesetzten Plastikhandtasche auf die Konsole und
reichte mir dann das scheußliche Ding. Ich packte meine Sachen um und gab Edie
meine Strohtasche und mein Flugticket. Sie händigte mir einen anderen Ticketumschlag
aus.
    »Okay«, sagte sie, »stehen Sie auf, und
gehen Sie ein paar Schritte.«
    Ich drehte ein paar Runden durch den
Toilettenvorraum. Edie sah zu und imitierte mich dann.
    »Nicht schlecht, was?« Sie lächelte
selbstbewußt und zog sich den Strohhut tiefer in die Stirn. »Ich bin
Schauspielerin oder will es zumindest werden. Lanny hat mir versprochen, nach
dem nächsten Streifen, den wir drehen, besorgt er mir einen legalen Job.«
    Einen legalen Job. Pornofilme also —
das war es, was auf Lannys Insel fabriziert wurde. Großer Gott, ein feines
Sortiment Freunde hatte Hy sich da im Lauf der Jahre zugelegt!
    Klappe, McCone, ermahnte ich mich
selbst. Dieser feine Freund und seine Freundin helfen dir gerade aus der
Klemme.
    Edie hielt mir eine Einkaufstüte hin,
die sie mitgebracht hatte. »Da drin sind Jeans und noch ein paar andere
Klamotten. Ich dachte mir, Sie wollen vielleicht nicht in diesem Outfit quer
durch die Staaten reisen.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Wir müssen los. Sobald
wir hier drin waren, sollte Lanny den Flughafen anrufen und Ihren Verfolger
über Lautsprecher ans Telefon bitten lassen. Wie ich ihn kenne, hat er ihn bis
jetzt an der Strippe festgehalten, und von den Zellen aus sieht man die Leute,
die aus den Toiletten kommen, allenfalls von hinten. Gehen Sie zuerst raus; das
Boarding für den Tampa-Flug läuft schon. Für meine Maschine nach Orlando geht
es gleich los. Wenn wir ein bißchen Glück haben, wird sich Ihr Schatten an mich
heften.«
    Ich drückte ihre Hand. »Danke, Edie.«
    »Keine Ursache. Ich liebe die
Schauspielerei.« Sie zwinkerte. »Für eine gute Szene tue ich fast alles.«
    Ich zwinkerte zurück und trat hinaus in
den Abflugkorridor. Auf dem Weg zum Gate machte ich mich klein und änderte
meinen Gang. Der Ausgang zum Rollfeld schien meilenweit entfernt; ich zwang
mich, in normalem Tempo zu gehen und mich nicht nach den Telefonzellen
umzudrehen. Als ich schließlich dem Mann am Gate mein Ticket vorzeigte, sagte
er: »Starker Hut.«
    Ich konnte es kaum erwarten, in die
Maschine zu gelangen und mir das lächerliche Ding vom Kopf zu reißen.
    Oben auf der Gangway gestattete ich mir
einen kurzen Blick zurück zum Terminal. Durch die Scheibe sah ich Maynard am
Abfertigungspodium für den Flug nach Orlando ein Ticket kaufen.
     
     
     
     

23
    Tampa, Florida, 9 Uhr 21
    »Hat ja prächtig funktioniert, McCone!«
    Hy nahm mich in die Arme und schwang
mich herum; eine von Edies schlackernden Sandalen flog mir vom Fuß und landete
auf dem Asphalt. Hys Haut fühlte sich feucht und zu warm an. Er setzte mich ab
und musterte mich von Kopf bis Fuß. »Was zum Teufel soll das darstellen?«
    »Wenn dich diese Aufmachung schon
schockiert, hättest du erst mal den Hut sehen sollen, den ich im Flugzeug
entsorgt habe.« Ich angelte mit den Zehen nach der Sandale und schlüpfte
hinein, während ich ihn meinerseits musterte. Sein Gesicht war gerötet, und in
seinen dunklen Augen war ein erratisches Glimmen. »Fühlst du dich wieder
fiebrig?«
    Er legte mir die Hand auf die Schulter
und führte mich ein Stück von der Stelle weg,

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