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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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eindeutiger Identifizierung durch das Opfer verbrachte er
nur fünfundvierzig Minuten in Polizeigewahrsam und verließ dann lachend das
Revier. Später kehrte er freiwillig nach Ghana zurück.
    JEMEN: FAHRLÄSSIGE TÖTUNG IM
STRASSENVERKEHR, NEW YORK, ‘86
    Der Sohn des nordjemenitischen
UN-Botschafters fuhr auf der Park Avenue mit stark überhöhter Geschwindigkeit
einen Fußgänger an; das Opfer starb beim Transport ins Bellevue Hospital.
Anklage wurde nicht erhoben.
    MEXIKO: ANGRIFF M. E. TÖDL. WAFFE, NEW
YORK, ‘85
    Der mexikanische UN-Botschafter schlug
bei einem Streit um einen Parkplatz das Seitenfenster eines anderen Wagens ein
und bedrohte den Fahrer mit einer halbautomatischen Waffe. Anklage wurde nicht
erhoben, das Opfer jedoch später finanziell abgefunden.
    PANAMA: FAHRLÄSSIGE KÖRPERVERLETZUNG IM
STRASSENVERKEHR, WASHINGTON, ‘74
    Ein Kulturattaché der panamaischen
Botschaft mißachtete eine rote Ampel, prallte seitlich auf einen anderen Wagen
und verletzte einen der Insassen so schwer, daß bleibende Lähmungen
zurückblieben. Der Unfallverursacher hatte keine Haftpflichtversicherung und
bot den Opfern keine finanzielle Entschädigung an. Auch hier wurde keine
Anklage erhoben, und der Diplomat wurde später außer Landes versetzt.
    LIBYEN: MORD, LONDON,’84
    Ein libyscher Attentäter erschoß
während einer friedlichen Demonstration von Exil-Libyern vor der Londoner
Botschaft eine Polizistin. Der Mörder wurde nie gefaßt und die Mordwaffe nie
gefunden, da er sie vermutlich in seinem versiegelten Diplomatengepäck mit sich
führte, als er aus England floh.
    BELGIEN: DROGENSCHMUGGEL, LA
GUARDIA-FLUGHAFEN, ‘85
    Der belgische Botschaftssekretär in
Neu-Delhi, Indien, übergab einem verdeckten Ermittler der DEA Heroin, das er in
seinem Diplomatengepäck in die Staaten geschmuggelt hatte. In diesem Fall galt
keine diplomatische Immunität, da der Botschaftssekretär keiner Vertretung in
den USA angehörte; er bekam sechs Jahre Gefängnis. Dieser aufsehenerregende
Fall zeigte, daß das Schmuggeln von Drogen in Diplomatengepäck keine unübliche
Praxis ist.
    Kein Wunder, dachte ich, daß die
Anschläge des Diplobombers völlig willkürlich erschienen. Sie waren fünf bis
achtzehn Jahre nach den Schandtaten der Diplomaten erfolgt. Sie hatten nicht
unbedingt den Tätern selbst und noch nicht einmal den betreffenden Vertretungen
gegolten. Aber jetzt, da ich die Gemeinsamkeit zwischen all diesen Anschlagszielen
aufgedeckt hatte, drängte sich die Erklärung auf, daß der Bombenleger eine
immense Wut auf derartige Diplomatenverbrechen hegte — und daß die konkrete
Ursache dieser Wut der Mord an Chloe gewesen war.
    Interessant, daß sein letzter Racheakt
vor dem mißglückten Anschlag auf das azadische Konsulat einem Land gegolten
hatte, dessen Vertreter für sein Verbrechen abgeurteilt worden war. Eine
Botschaft, was seine weiteren Vorhaben betraf?
    In welchem Verhältnis hatte der
Bombenleger zu Chloe gestanden? Ein Freund? Ein Verwandter? Ihr Liebhaber? Was
hatte er in Washington und New York zu suchen gehabt? Wieso die zweijährige
Pause vor den Anschlägen in San Francisco? Und warum dieses aufwendige Katz-
und Mausspiel mit den Azadis, statt daß er Dawud Hamid aufspürte und sich
direkt an ihn hielt? Warum ließ er Unschuldige büßen?
    Weil er zwar ursprünglich eine
bestimmte Aussage hatte machen wollen, inzwischen die ganze Sache aber aus dem
Griff verloren hatte. Er genoß es, war geil darauf. Es hatte ihm das größte
Hochgefühl seines Lebens beschert, und er würde alles tun, um es sich wieder zu
verschaffen.
    Ich sah den Abflugkorridor entlang.
Kent Maynard saß geduldig bei dem verlassenen Gate. Ich war mir sicher, daß er
kein einziges Mal den Blick von mir gewandt hatte, während ich meine Notizen
studierte.
    Ich starrte auf mein Geschreibsel, bis
es vor meinen Augen verschwamm. Die Filzstiftlinien und — Schnörkel verliefen
zu einem asymmetrischen Rorschachklecks, und wie eine verzweifelte
Psychiatriepatientin suchte ich darin nach dem Gesicht des Bombenlegers.
Nichts.
    Ich seufzte und sah auf. Maynard nickte
freundlich.
    Als hätte ich nicht schon genügend
Probleme, war ich jetzt auch noch mit dieser Plage geschlagen!
    Ich stand auf und ging zu den
Telefonzellen. Rief im Ramada in Key West an. Maynard bezog beim nächsten
leeren Abfertigungspodest Posten.
    »Alles okay bei euch?« fragte ich Hy.
    »Unsere junge Freundin ist immer noch
ziemlich still, aber es hat niemand nach uns

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