Ein wilder und einsamer Ort
Phoenix.
Vielleicht haben wir dort Glück.«
Sky-Harbor-Flughafen, Phoenix, Arizona,
19 Uhr 48
Habiba war wach, aber immer noch still,
als wir in Phoenix ankamen. Ich ging mit ihr zur Toilette, während Hy sich nach
Linienflügen erkundigte. Mein Bemühen, ihr wenigstens etwas von dem unterwegs
angesammelten Dreck vom Gesicht zu waschen, produzierte nur Schlammschlieren
und stummes Leiden, weshalb ich es aufgab und ihr zum Trost eine Cola und eine
Tüte Chips kaufte. Hungrig, aber lustlos machte sie sich darüber her.
Hy kam zu uns herüber und schüttelte
den Kopf.
»Na, toll«, murmelte ich.
Habiba sah ängstlich zu uns empor und
versuchte, in unseren Gesichtern zu lesen.
»Hör mal, Ripinsky, du könntest doch
mit Habiba nach draußen gehen und ihr die Flugzeuge in den Hangars zeigen. Ich
glaube, ich habe dort eine Citabria gesehen. Ich gehe solange mal
telefonieren.«
Er streckte die Hand aus. »Komm,
Kopilot.«
Erstaunlicherweise antwortete sie: »Das
letzte Mal hast du ›Matrose‹ gesagt.«
»Das war in Florida. Dort fuhren wir
Boot; in Arizona fliegen wir.«
Sie faßte ihn an der Hand, und sie
gingen aus dem Flughafengebäude.
Ich suchte mir eine Telefonzelle und
wählte Micks Handy-Nummer. Als er das Ding gekauft hatte, hatte ich es für
reine Geldverschwendung gehalten; jetzt war es eine lebenswichtige Verbindung.
Er meldete sich nach dem ersten Läuten. Wir fragten beide gleichzeitig: »Wo
bist du?«
»Phoenix«, erklärte ich.
»Russian Hill«, sagte er. »Hamid ist in
einem Haus, Francisco Ecke Leavenworth. Die Wohnung gehört...«
»Alejandro Ronquillo. Ist Hamid vom
Flughafen direkt dorthingegangen?«
»Nach ein paar Telefonaten, ja. Er ist
nur einmal kurz rausgekommen, um sich im Laden an der Ecke ein Bier zu holen,
und seither nicht mehr aufgetaucht.«
Ich dachte nach. Dann fiel mir
Ronquillos Hausmädchen ein, und ich kramte in der gräßlichen muschelbesetzten
Handtasche nach meinem Notizbuch. »Schreib dir bitte auf: Blanca Diaz. Sie ist
Ronquillos Dienstmädchen. Hier ist die Telefonnummer.« Ich gab sie ihm durch.
»Ruf sie an, und sag ihr, du bist mein Assistent und der Sohn von Ricky
Savage.«
»Was hat Dad damit zu tun?«
»Sie ist ein Fan — du hast ihr das
Autogramm und die Kassette geschickt, erinnerst du dich? Frag sie, was Hamid
macht; sie wird dir sicher mit Freuden alles erzählen, was sie weiß.«
»Okay. Sonst noch was?«
»Im Moment nicht. Ich melde mich
wieder.« Hy kam zurück, ohne Habiba. Ich hängte ein und ging ihm entgegen. »Wo
ist sie?«
»In der Maschine. Sie hat wieder alle
Schotten dichtgemacht. Sie hat gesagt, sie sei müde.«
»Armes Kind. Sie hat in den letzten
paar Tagen wirklich eine Menge durchgemacht. Was sollen wir jetzt tun,
Ripinsky?«
»Mit der Beechcraft weiterfliegen, bis
in die Bay Area.«
»Flugzeit?«
»Mindestens vier Stunden.«
»Ganz schön lange.«
Er sah mich zögernd an. »Ich wollte
vorhin nichts sagen, aber der Steuerbordmotor läuft nicht so ganz, wie er soll.
Nichts, womit man nicht leben könnte, aber wir müssen ein bißchen Rücksicht
darauf nehmen. Und außerdem fühle ich mich wieder fiebrig; du mußt fliegen.
Fühlst du dich dazu in der Lage?«
Ich sah aus dem Fenster in die sich
rasch verdunkelnde Wüstenlandschaft und sagte dann achselzuckend: »Ich fühle
mich zu allem in der Lage, was uns schnell nach Hause bringt.«
6500 Fuß über der Mojave-Wüste, 23 Uhr
48.
»Ripinsky?«
Keine Reaktion. Er hing tief in dem
Sitz neben mir, die Augen geschlossen.
»Ripinsky!« Ich rüttelte an seinem
Knie.
»Hä?« Er fuhr hoch und blinzelte.
»Der Steuerbordmotor verliert an
Touren. Und hör dir mal das Geräusch an.«
Er neigte den Kopf.
»Hörst du?« fragte ich. »Klingt wie ein
Auto mit kaputtem Auspuff.«
»Ja, ich hör’s.« Er beugte sich
herüber, prüfte den Kraftstoffdruckmesser. »Hm, die Leitung und die Pumpe sind
okay.«
»Ich weiß. Was ist es dann?«
»Vielleicht die Zylinderkopfdichtung.
Wo sind wir?«
»Etwa fünfzig Meilen südöstlich von
Barstow.«
»Mist. Laß mich mal übernehmen, damit
ich sehen kann, was los ist.«
Ich ließ ihn nur zu gern übernehmen.
Als ich mich umdrehte, sah ich Habiba, zu einem kleinen Klumpen
zusammengerollt, unter einer Wolldecke auf dem Rücksitz liegen. Ihr Gesicht war
verdeckt, und sie lag ganz still; ich konnte nicht erkennen, ob sie schlief
oder wach war und zuhörte.
Hy sagte: »Ja, muß wohl die
Zylinderkopfdichtung sein oder vielleicht
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