Ein wilder und einsamer Ort
Rufweite. Hy und ich würden das schon schaffen.
Micks Tonbandstimme war alles, was sich
in meinem Büro meldete. Ich wählte Charlotte Keims Apparatnummer bei RK1. Sie
meldete sich, viel zu munter für jemanden, der in der Data Search-Abteilung
ackerte. Micks Stimme im Hintergrund lieferte die Erklärung. Na ja, wenigstens
hatte sie versprochen, behutsam mit ihm zu sein... Charlotte wurde noch
munterer, als sie meine Stimme hörte. »Sharon, Sie hatten recht. Wir sind ihm
eindeutig auf der Spur!«
»Schießen Sie los.« Ich nahm einen
Notizblock, den ich bei Hys Freund hatte mitgehen lassen, aus meiner Tasche.
»Nein, Mick soll es Ihnen sagen. Es
sind ja eigentlich seine Ergebnisse.«
Charlotte Keim verstand es allerdings,
meinen Neffen zu umgarnen. Als er an den Apparat kam, klang er so
wichtigtuerisch geschwellt wie ein Kugelfisch. »Wir sind gerade fertig
geworden«, sagte er, »und wir haben solche Vorfälle, wie du sie suchst, für
jedes der Länder gefunden — manche allerdings außerhalb der Zehnjahresspanne,
die du vorgegeben hast. Willst du’s hören?«
»Ich höre.«
Binnen einer knappen Viertelstunde
hatte ich alles beisammen. »Gute Arbeit, Mick!«
»Danke. Was soll ich jetzt damit
machen? Es der Sonderkommission geben?«
Ich zögerte; irgend etwas in mir wehrte
sich dagegen. »Du behältst es schön für dich.«
»Aber deine Freundin Adah...«
»Gerät vielleicht in noch größere
Gefahr, wenn der Bomber merkt, wie dicht wir ihm auf den Fersen sind. Glaubst
du, Parkhurst würde diese Information geheimhalten? Das ist der erste echte
Durchbruch in diesem Fall; er würde sofort eine Pressekonferenz einberufen. Du
machst gar nichts damit. Klar?«
»Ja.«
»Und jetzt habe ich eine neue Aufgabe
für dich. Wie gut bist du im Observieren?«
»Ich...« Er schien drauf und dran, sich
professioneller Fähigkeiten zu rühmen, die zu erproben er kaum je Gelegenheit
gehabt hatte, besann sich dann aber. »Es geht.«
»Kannst du dich heute abend am
Flughafen an jemanden hängen und auf unbestimmte Zeit an ihm dranbleiben?«
»Ja.«
»Gut. Der Mann heißt Dawud Hamid. Er
kommt mit dem American-Flug um zweiundzwanzig Uhr neunzehn aus Miami.« Ich
beschrieb ihm Hamid. »Nimm dieses absurd teure Handy mit, das du letzten Monat
gekauft hast, damit ich dich erreichen kann. Und, Mick...«
»Keine Bange — ich bin vorsichtig, ich
gebe nicht mehr Geld aus, als unbedingt sein muß, und ich werde es nicht
verpfuschen.«
Kent Maynard beobachtete mich immer
noch. Ich sah ruhig und fest zurück. Dann ging ich durch die Halle zu einem
Gate, an dem nichts los war, suchte mir einen Tisch zwischen zwei Reihen von
Gußplastikstühlen und breitete die Blätter mit den Notizen, die ich während
meines Telefonats mit Mick gemacht hatte, darauf aus. Ich schlug die Beine
unter und drehte mich so, daß ich die Notizen studieren konnte. Gleich darauf
kam Maynard aus der Cocktaillounge und ging zu einem anderen Gate. Er wahrte
exakt die Entfernung, die ich ihm vorgeschrieben hatte. Ich ignorierte ihn und
beugte mich über die Blätter.
BRASILIEN: ANGRIFF M. E. TÖDLICHEN
WAFFE, WASHINGTON, 1982
Der Sohn des brasilianischen
Botschafters stand im Verdacht, den Rausschmeißer eines Nachtclubs niedergestochen
und so schwer verletzt zu haben, daß dauerhafte Behinderungen zurückblieben. Er
verbrachte einige Stunden in polizeilichem Gewahrsam und wurde dann aufgrund
seiner diplomatischen Immunität freigelassen. Die Botschaft hätte die Immunität
aufheben können, lehnte dies aber ab.
SAUDI-ARABIEN: VERGEWALTIGUNG,
WASHINGTON, ‘83
Eine Fünfzehnjährige erklärte, auf
einer Party vom Sohn eines Attachés der saudischen Botschaft vergewaltigt
worden zu sein. Der Vater willigte ein, den Sohn in die Heimat zurückzuschicken,
aber dieser tauchte wenige Wochen später wieder in Washington auf. Die Polizei
erklärte den Eltern des Mädchens, sie könne nichts unternehmen, da der junge
Mann Immunität genieße.
PAKISTAN: SEXUELLE BELÄSTIGUNG E.
KINDES, WASHINGTON, ‘82
Ein Militärattaché der pakistanischen
Botschaft berührte im PX von Fort McNair, Virginia, eine Elfjährige in
unsittlicher Weise. Militärpolizei und Kriminalpolizei erklärten der Mutter,
ihnen seien die Hände gebunden, da der Täter zum technischen Personal einer
diplomatischen Vertretung gehöre und damit volle strafrechtliche Immunität
genieße.
GHANA: VERGEWALTIGUNG, NEW YORK, ‘81
Beschuldigt wurde der Sohn eines
UN-Delegierten. Trotz
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