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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Wechsel zum FBI erzählt.
    Jetzt schien ihm allmählich der Saft
auszugehen. Er sah sich trübsinnig in dem Restaurant um, als bleibe es hinter
seinen Erinnerungen zurück. »Ach, was soll’s«, murmelte er.
    Bedrückt wegen des Anschlags, dachte
ich. Und wegen Adah; er zieht sich jedesmal in sich zurück, wenn ich ihren
Namen erwähne, empfindet mehr für sie, als er zeigt — und mehr, als sie ahnt.
    Ich versuchte das Gespräch wieder auf
die Ermittlungen zurückzulenken, diesmal auf einem Umweg. »Wie lange haben Sie
hier in San Francisco gearbeitet?«
    »Zweieinhalb Jahre. Dann wurde ich nach
Washington zurückversetzt. Ein paar Jahre war ich im Rahmen eines
Beamtenaustauschs bei Scotland Yard. Als ich gerade wieder in die Staaten
zurückgekehrt war, wurde ich in die Sonderkommission beordert.« Er hielt einen
Moment inne. »Wenn diese verdammte Warterei nur vorbei wäre. Warum macht er
nicht endlich den nächsten Zug?«
    »Vielleicht war dieser Anschlag ja der
entscheidende Zug. Vielleicht hat er ja jetzt, was er will.«
    »Darauf würde ich mich nicht
verlassen.«
    »Azad ist das einzige Land, das er mehr
als einmal attackiert hat. Und an verschiedenen Orten.«
    »Aber die anderen Anschlagsversuche
sind nicht geglückt.«
    »Der versuchte Anschlag auf die
Panamaer zweiundneunzig ist auch nicht geglückt, und er hat ihn trotzdem nicht
wiederholt.« Morland schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß die Azadis in
dieser Sache eine zentrale Rolle spielen.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil nichts darauf hindeutet.« Seine
Augen verengten sich, als er mich jetzt über den salzverkrusteten Rand seiner
Brille hinweg musterte. »Es sei denn, Sie wüßten etwas, was wir nicht wissen.«
    Einen Moment lang erwog ich, Morland
alles zu erzählen; ich spürte, daß ich ihm vertrauen konnte. Aber er würde
Parkhurst informieren müssen, der mich nur zu gern wegen Behinderung
bundespolizeilicher Ermittlungen belangt sehen würde. Das konnte ich nicht
riskieren.
    Zum Teufel mit Renshaw und seinem
verdammten Vertraulichkeitsding!
    Ich sagte zu Craig: »Ich habe nur so
ein Gefühl, was die Azadis angeht, weiter nichts. Ich habe Parkhurst gefragt,
ob es etwas Neues wegen Adah gibt, aber er wollte mir nichts sagen. Hat sich
der Bomber noch mal über das Web gemeldet?«
    Sein Blick verschleierte sich, und er
trank, bevor er antwortete: »Nein, da kam nichts mehr.«
    »Wissen Sie von der Botschaft, die sie
auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hat?«
    Er nickte. »Marcus vom Police
Department hat uns den Inhalt mitgeteilt.«
    »Wenn sie nun recht hatte... ein
solcher Mensch — er würde doch jeden töten, der ihn identifizieren könnte.«
    »Wir gehen davon aus, daß er sie als
Sicherheit braucht. Wenn wir ihm zu dicht auf den Fersen sind, ist sie sein
Fluchtticket.«
    Ich wollte das ebensogern glauben wie
er.
    Meine Zweifel mußten sich wohl in
meinem Gesicht spiegeln, denn Morland stürzte sich in einen Monolog über das
Psycho-Profil des Bombers, in erster Linie wohl, um seine eigene Angst zu beschwichtigen.
Nach ein paar Minuten unterbrach ich ihn, indem ich der Bedienung bedeutete,
daß ich zahlen wollte. Die Berieselung mit seiner Lebensgeschichte hatte mich
auf eine Idee gebracht, und ich wollte zurück in mein Büro, um dieser Idee
nachzugehen.
     
    Ich hatte erwartet, daß bei All Souls
Wochenendruhe herrschen würde, aber statt dessen hörte ich im Vorbeigehen
zornige Stimmen aus der juristischen Bibliothek: Ted und — wie ich zu erkennen
glaubte — Mike Tobias, einer aus der Schar der neuen Teilhaber und Mitarbeiter,
die sich im Lauf der letzten Jahre angesammelt hatte. Ich flüchtete die Treppe
hinauf, aber die Worte »unsägliche Schlamperei« und »unerträglicher Workaholic«
flatterten hinter mir her.
    In letzter Zeit gab es soviel Hickhack
innerhalb der Kooperative — aber auch ernsthafte Streitereien. In dem runden
Dutzend Jahre, die Ted das Hauptbüro unter sich gehabt hatte, hatte ich ihn
kaum je laut werden hören. Jetzt hingegen schien ihn mindestens einmal täglich
jemand oder etwas in Rage zu bringen. Die Kooperative war zu einem Ort
geworden, den die meisten Mitarbeiter bei Feierabend schleunigst flohen; wer
noch blieb, verschanzte sich in seinem Büro oder seinen Wohnräumen.
    Oben schmiß ich die gräßliche
muschelbesetzte Handtasche auf mein Sofa und kramte eine Leineneinkaufstasche
aus der untersten Schublade eines Aktenschranks. Ich transferierte meine
Habseligkeiten in die Leinentasche und

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