Ein wilder und einsamer Ort
HIER BEKANNTGEBEN.
Unterzeichnet war die Botschaft mit
»Die gebundenen Hände«.
»Na, klar!« sagte ich. »Gebundene Hände
— zuerst war das Signum an den Bomben ein metallener Mechanismus, der aussah
wie betende Hände, die an den Handgelenken gefesselt sind. Das paßt perfekt zum
Motiv. Dawud Hamid konnte nicht auf gesetzlichem Weg bestraft werden, weil der
Polizei und der Justiz durch seine diplomatische Immunität die Hände gebunden
waren. Wie in all den anderen Fällen auch.«
»Na schön, aber warum ist er dann noch
nicht fertig? Er hat Hamid doch heute nachmittag atomisiert.«
»Hat er das?«
Mick drehte sich um, und seine hellen
Augen sahen in meine. In diesem Moment wurde mir plötzlich klar, wie ähnlich
wir uns waren, und ich fühlte, wie sich zwischen uns — klick — eine Verbindung
aktivierte, die für den Rest unseres Lebens bestehenbleiben würde.
Ich fragte: »Hast du noch die Nummer
des Taxis, das Hamid am Russian Hill abgeholt hat?«
Aber er fummelte bereits ein Notizbuch
aus der Brusttasche seines Hemds und griff nach dem Telefon. Er drückte eine
Nummer und nannte der Person am anderen Ende einen Namen — Inspector A. Joslyn
— und eine Dienstnummer — ebenfalls die von Adah. Stellte seine Fragen, lehnte
sich zurück und klopfte ungeduldig mit dem Stift auf die Tischplatte.
»Hast du dir schon öfters auf diese
Weise Informationen verschafft?« flüsterte ich.
»Ein-, zweimal.«
»Dafür wird Adah dir den Kopf
abreißen.«
»Nicht, wenn wir ihren retten.« Er
kritzelte etwas in sein Notizbuch, dankte der Zentrale und unterbrach die
Verbindung.
»Hamid lebt«, sagte ich.
»Du sagst es. Er hat das Taxi um den
Block geschickt und vor dem Nebengebäude des Konsulats an der Pacific Street
warten lassen. Keine zwanzig Minuten später ist er dort aufgetaucht.«
»Und wohin gefahren?«
Mick hielt mir das Notizbuch hin. »Im
Fahrtenbuch steht eine Adresse an der Manzanita Lane in Brisbane. Sagt dir das
was?« Allerdings.
27
Um zehn nach elf hing dichter Nebel
reglos in den Eukalyptusbäumen entlang der Manzanita Lane. Es erinnerte mich an
die Nacht, als ich das zweitemal hierhergekommen war, nachdem ich Mavis Hamids
Leiche aus der Bay gezogen hatte.
Ich fuhr an der Plankenbrücke zu
Langley Newtons Bungalow vorbei und immer weiter, bis die löchrige Fahrbahn in
dichtem Gestrüpp endete; hier wendete ich. Ein Grüppchen Zypressen versperrte
mir den Blick auf die Brücke; ich parkte den MG dicht dahinter und stellte das
Licht ab. Dann griff ich nach dem Autotelefon und rief Mick an.
»Was gefunden?« fragte ich.
»Ich habe bei allen Taxizentralen auf
diesem Teil der Peninsula nachgefragt. Nada. Wenn Hamid Newtons Haus
wieder verlassen hat, dann mit einem Privatwagen.«
»Hast du mit Blanca gesprochen?«
»Ich habe sie in Ronquillos Wohnung
erreicht — wieder mal eine Party. Sie hat die drei heute morgen streiten hören.
Ronquillo hat wohl eine sexuelle Spannung zwischen seiner Herzensdame und Hamid
gewittert — Mann-Frau-Zeug, nennt Blanca das — und ihm gesagt, er soll
verschwinden. Hamid ist das Bargeld ausgegangen, und auf seine Visa-Card läuft
auch nichts mehr, weil er über seinem Limit ist, also hat Leila den guten
Langley Newton angerufen und gefragt, ob Dawud nach dem Besuch bei seiner
Mutter bei ihm Unterkommen könne.«
»Warum konnte er seine Mutter nicht
dazu kriegen, ihn im Konsulat wohnen zu lassen?«
»Das hat Newton auch gefragt; offenbar
war er nicht so scharf auf Besuch. Leila hat ihm erklärt, Malika Hamid habe
ihrem Sohn eine Audienz von maximal zwanzig Minuten gewährt, unter der
Bedingung, daß er dann den ersten Flug zurück in die Karibik nehmen würde. Aber
er ist fest entschlossen, hier zu bleiben, bis er seine Tochter einkassieren
kann.«
»Dann darf man wohl davon ausgehen, daß
er noch bei Newton ist?«
»Ja, schon, aber...«
»Ich weiß; ich sollte mich
vergewissern...« Ich guckte verdrossen durch die Scheibe in den dichten, wenig
einladenden Nebel hinaus. »Kommst du mit unserer Verdächtigenliste voran?«
»Es geht. Blanca konnte mir ein paar
von den Fragen beantworten, zu denen ich in keiner Datenbank etwas gefunden
habe. Spätestens in einer Stunde müßte ich etwas für dich haben.«
»Dann rufe ich dich wieder an, wenn ich
mich hier ein bißchen umgesehen habe.«
Ich legte wieder auf und nahm die 38er,
die ich mir von zu Hause geholt hatte, aus meiner Leinentasche. Stieg aus,
schloß den Wagen ab und blieb einen
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