Ein wilder und einsamer Ort
stopfte das Muschelungeheuer in den
Papierkorb. Nur weg mit diesem Souvenir einer schrecklichen Reise. Dann setzte
ich mich an meinen Schreibtisch und rief Hy im Bakersfield Memorial Hospital
an.
»Viel besser«, antwortete er auf meine
Frage. »Ich hänge immer noch am Tropf und darf keine feste Nahrung zu mir
nehmen, aber was soll’s — ich lebe. Und wie geht es dir? Was macht Habiba?«
»Uns geht es gut. Sie ist bei
Anne-Marie und Hank. Aber weißt du, was, Ripinsky? Er hat das azadische
Konsulat in die Luft gejagt.«
»Hank? Heiliger Strohsack, was rede
ich? Wann?«
»Heute nachmittag um drei. Mutter und
Sohn Hamid waren dort und sind vermutlich beide umgekommen. Der einzige
Überlebende ist, soweit ich weiß, Khalil Latif, der Handelsattaché.«
Er schwieg. Ich wußte, er dachte, daß
Habiba auch hätte dort sein können. »Dem Kerl muß das Handwerk gelegt werden,
McCone.«
»Ja. Ich habe eine Idee, wie man ihn
vielleicht identifizieren oder zumindest den Kreis der Verdächtigen einengen
könnte. Hör mal zu.« Ich erklärte ihm ausführlich, was mir in den Sinn gekommen
war, als ich mit Craig Morland in dem Restaurant gesessen hatte. Hy sagte:
»Mich wundert nur, daß da nicht längst jemand draufgekommen ist. Aber
vielleicht sind sie ja draufgekommen und haben nur die falschen Leute
durchgecheckt.«
»Ich werde jetzt versuchen, Mick
aufzutreiben, damit er sich gleich dransetzt.«
»Warum nicht auch Charlotte Keim?«
»RKI lasse ich besser aus dem Spiel.«
»Warum?«
»Wir haben uns ziemlich überworfen,
Renshaw und ich. Ich habe darauf bestanden, daß er seine sämtlichen
Informationen an die Sonderkommission weitergibt. Als die Bomben bei der
azadischen Botschaft und der UN-Delegation eingingen, war er noch willens, es
zu tun — mit oder ohne Malika Hamids Einverständnis. Aber jetzt macht er einen
Rückzieher — um die Interessen seiner Klientin zu wahren, behauptet er, aber in
Wahrheit ist es nur Selbstschutz. Er wollte sich nicht anhören, was ich
inzwischen herausgefunden habe; er wollte nur, daß ich ihm Habiba übergebe.«
»Klingt, als sei der alte Gage mal
wieder drauf aus, seinen Arsch aus der Schußlinie zu manövrieren. Was hast du
ihm wegen Habiba gesagt?«
»Ich habe mich geweigert, sie ihm zu
übergeben. Da hat er mir vorgeworfen, ich sei auf einem Machttrip.«
»Und?«
»Ripinsky, das bin ich nicht. Ich will
nur, daß die Kleine sicher ist.«
»Ich weiß, aber meinst du nicht, daß es
dir vielleicht außerdem auch ganz gut gefällt, Gage gegenüber am längeren Hebel
zu sitzen?«
»Na ja...«
»Siehst du? Du kannst ihm vieles
vorwerfen, aber nicht, daß er dich darauf hingewiesen hat.«
»Aber er hat gesagt, ich hätte ein
perverses Machtbedürfnis!«
Hy lachte. »Dieses Schlitzohr! Soll ich
mich mit ihm schlagen?«
»Ripinsky!«
»Okay.« Ernst jetzt. »Du weißt, ich
sitze selbst auch ganz gern am längeren Hebel, und mir gehört ein
beträchtlicher Teil dieser Firma. Nichts kann mich daran hindern, Gage von
meinem Schmerzenslager aus anzurufen und ihm den Kopf zu waschen.«
Ein verlockendes Angebot, aber ich
mußte meine Kämpfe mit Renshaw selbst ausfechten. Außerdem war das jetzt der
Moment, mich von RKI zu distanzieren. »Danke, aber Mick und ich kommen mit den
Computerrecherchen schon zurecht. Und du liegst auf diesem Schmerzenslager, um
von dieser Krankheit zu genesen, also konzentriere dich bitte darauf.«
Mein Neffe war in der Tür zwischen
unseren beiden Büroräumen erschienen, frisch geduscht und umgezogen und
vermutlich auch gesättigt. Ich verabschiedete mich von Hy, legte auf und
schwenkte dann auf meinem Drehstuhl zu Mick herum. »Du siehst aus, als seist du
voller Tatendrang.«
»Shar, komm rüber!«
»Was ist?« Micks dringlicher Ton
rüttelte mich auf.
»Komm!«
Ich erhob mich von meinem abgewetzten
Orientteppich, wo ich über den ausgebreiteten Akten zu den in diesen Fall
verwickelten Personen gebrütet hatte. Mick saß am Computer. Der Bildschirm
leuchtete im Dunkel seines winzigen Büros. Wir hatten schon mehrere Stunden
gearbeitet und unsere Verdächtigenliste auf einige wenige Personen reduziert.
Er zeigte auf den Monitor, als ich
eintrat. »Ich habe mal kurz Pause gemacht und die Boards im Web durchgecheckt.
Da, schau dir das an. Er hat anders unterschrieben, aber ich wette, er ist es.«
Ich beugte mich über seine Schulter und
las die Zeile, auf die er deutete.
ICH BIN NOCH NICHT FERTIG. ICH WERDE
MEINE FORDERUNGEN DEMNÄCHST
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