Ein wilder und einsamer Ort
ein paar Brote und Kaffee bringt.
Ich war am Verhungern und hatte nur noch ein paar Dosen Cola im Wagen; die habe
ich dann getrunken, um meinen Magen zu füllen, und danach mußte ich dauernd
raus, um die ganze Flüssigkeit wieder abzulassen. Einmal hat mich eine alte
Dame, die ihren Hund Gassi führte, in den Büschen erwischt. Sie hat mir
gedroht, sie würde die Polizei rufen. Danach bin ich im Auto geblieben und habe
in eine leere Coladose gepinkelt.« Willkommen in der Realität der
Privatermittler, dachte ich. »Okay, und was war heute?«
»Hamid ist gegen halb drei mit einem
Taxi weggefahren; die Nummer habe ich. Er ist hier ausgestiegen. Sah so aus,
als ob am Seiteneingang keine Sicherheitsleute waren; er ist geradewegs
reinspaziert und war noch nicht wieder rausgekommen, als die Bombe hochging.
Shar, so was habe ich noch nie gesehen...«
Keine Sicherheitsleute am
Seiteneingang? Eine solche Nachlässigkeit hätte Renshaw niemals geduldet. Aber
vielleicht hatte Malika Hamid sie weggeschickt oder auf irgendeine Art
abgelenkt, die es ihnen nicht nahegelegt hatte, ihrem Teamleiter Bescheid zu
sagen. Habiba hatte mir erzählt, daß ihre Großmutter immer alle außer der alten
Kinderfrau wegschickte, wenn Dawud zu Besuch kam.
Ihre sture Entschlossenheit, um jeden
Preis die Fiktion aufrechtzuerhalten, daß ihr Sohn Vorjahren spurlos
verschwunden war, hatte sie beide das Leben gekostet.
Ich fragte Mick: »Ist jemand Hamid
gefolgt?«
»Außer mir? Nicht, daß ich wüßte.«
»Ist irgendwas abgeliefert worden,
nachdem er hier angekommen war?«
»Nein.«
Dann war die Bombe schon vorher an Ort
und Stelle gewesen. Der Bombenleger hatte gewußt, daß die Sicherheitsposten
abgezogen wefden würden; er hatte gewußt, daß Hamid kommen würde. Ich dachte an
Adahs Botschaft auf meinem Anrufbeantworter: »...unangenehmerweise quasi vor
der Haustür.«
Vor der Haustür der Azadis?
Mick und ich gingen wieder um den Jeep
herum. Renshaw war nicht mehr da, aber Khalil Latif saß auf dem Bordstein,
Tränenspuren im Ruß auf dem grobgeschnittenen Gesicht. Ich setzte mich neben
ihn.
»So eine Verwüstung«, sagte er. »So
eine Verwüstung.«
»Wo waren Sie, als die Bombe hochging,
Mr. Latif?«
»Auf meinem täglichen Spaziergang. Ich
gehe immer zum Marina Green und zurück — werktags schon früh, samstags und
sonntags später.«
»Und Mrs. Hamid — wissen Sie, was sie
heute vorhatte?«
Er schüttelte den Kopf.
»Hat außer Ihnen noch jemand überlebt?«
»Ich weiß es nicht.«
Ich sah auf Latifs gesenkten Kopf,
dachte an seine unverhohlene Antipathie Malika Hamid gegenüber, seine Zuneigung
zu Mavis. Als ich wieder aufblickte, sah ich Renshaw und einen großgewachsenen
Mann mit stahlgrauem Haar in unsere Richtung kommen. Ich erkannte in dem
anderen Mann Ed Parkhurst, den Leiter der Sonderkommission. »Entschuldigen Sie
mich, bitte«, sagte ich zu Latif und ging ihnen entgegen.
Renshaw guckte unwirsch und wedelte mit
der Hand, um mir zu bedeuten, ich solle mich verziehen. Ich ging weiter auf sie
zu. »Mr. Parkhurst«, sagte ich, »Sharon McCone. Ich bin eine freie
Mitarbeiterin von Mr. Renshaw.«
Parkhurst ignorierte meine
ausgestreckte Hand. »Sie sind die Ermittlerin, der Adah Joslyn geheime
Informationen hat zukommen lassen. Wir sind dahintergekommen, nachdem wir sie
suspendiert hatten.«
Ich ging nicht auf die implizite
Anschuldigung ein. »Gibt es etwas Neues über sie?«
»Das ist ebenfalls geheim.«
»Wohl kaum, da der Entführer über das
Techno-Web aller Welt verkündet hat, daß er sie als Geisel genommen hat. Was
glauben Sie, warum er noch keine Forderungen gestellt hat?«
Parkhurst seufzte. »Wie Sie sehen, war
er anderweitig beschäftigt.«
Ich wandte mich Renshaw zu. »Haben Sie
eine Ahnung, wie Malika Hamid Ihre Leute dazu gebracht hat, den Seiteneingang
unbewacht zu lassen?«
»Sharon, es reicht!«
»Haben Sie’s ihm gesagt?«
»Was?«
»Das mit den...«
Renshaw packte mich am Arm, murmelte
irgend etwas Entschuldigendes in Parkhursts Richtung und bugsierte mich eilends
auf die andere Seite des Jeeps. »Verdammt, Sharon, wann werden Sie endlich
aufhören, mir vorzuschreiben, wie ich meinen Beruf auszuüben habe? Ich werde
Parkhurst von den Warnschreiben erzählen, wenn ich es für angebracht halte.«
»Und wann wird das sein?«
»Wenn ich mit meiner Klientin
Rücksprache gehalten habe.«
»Rücksprache mit Malika Hamid?« Ich
deutete auf das rauchende Gerippe des Konsulats. »Nicht
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