Ein wilder und einsamer Ort
erzählen sollte. Als das
Telefon läutete, stieg ich aus der Wanne, warf meinen weißen Frottee-Bademantel
über und patschte, eine Wasserspur hinterlassend, in die Küche.
»Also«, fauchte sie, »was wolltest du
bei den Azadis, noch dazu mit dem Chef ihrer Sicherheitsfirma?«
»Das ist ja eine freundliche
Begrüßung.«
»Beantworte einfach nur meine Frage.«
»Was zum Teufel ist denn mit dir los?«
Ich nahm das schnurlose Telefon mit ins Bad, streifte den Bademantel ab und
stieg wieder in die Wanne.
»Erstens bin ich immer noch im Büro und
werde wahrscheinlich auch den Rest der Nacht hier verbringen. Die anderen —
ach, verdammt, das interessiert dich ja doch nicht. Also, redest du jetzt...
bitte?«
Ich entschied mich für die
Halbwahrheit. »Nachdem ich bei dir war, bin ich zufällig Gage begegnet. Wir
haben gerade noch einen Kaffee getrunken, als er den Anruf wegen des Anschlags
bekam. Da bin ich eben mitgefahren.«
Joslyn schnaubte verächtlich. »Erzähl
keinen Quatsch. Du kannst Renshaw nicht ausstehen; du würdest nicht mal einen
Kaffee mit ihm trinken, wenn du unter akutem Koffeinentzug littest. Und
außerdem — wieso lungert Renshaw im Gebäude der Sonderkommission herum?«
»Ich habe nicht gesagt, daß er dort
war.«
»Craig Morland, der FBI-Mann, mit dem
ich am Tatort war, hat mir erzählt, daß er euch beide in der Eddy Street aus
dem Lift hat kommen sehen.«
»Ach.«
»Also?«
»Also gut — ich habe da vielleicht eine
Spur, aber ich kann noch nicht drüber reden.«
»Du kannst nicht, oder du willst
nicht?«
»Beides.«
Jetzt hob sich ihre Stimme. »McCone,
was versuchst du da hinter meinem Rücken zu tricksen?«
»Ich versuche gar nichts zu ›tricksen‹.
Wir haben uns geeinigt, daß ich dir bei diesem Fall helfe, aber du mußt mich’s
auf meine Art machen lassen. Laß mir ein bißchen Handlungsspielraum, ja?«
»Handlungsspielraum?« Ihre Stimme war
jetzt regelrecht schrill. »Ich soll dir Raum lassen, damit du mich verarschen
kannst, genau wie diese FBI-Leute...«
»Reg dich nicht auf, Adah. Du hattest
einen langen Tag, einen harten Tag. Warum gehst du nicht nach Hause...«
»Ich brauche deine Ratschläge nicht.
Ich brauche überhaupt keine Ratschläge, von niemandem!« Sie knallte den Hörer
auf.
Ich hielt das schnurlose Telefon ein
Stück von meinem Ohr weg und starrte es an, als könnte ich über die
elektronischen Wellen meiner Freundin ins Gesicht sehen. Dann knipste ich es
aus und legte es neben der Wanne auf den Fußboden. Ich hatte noch nie erlebt,
daß Adah derart die Beherrschung verlor.
Ich gab noch heißes Wasser und Badeöl
dazu, rutschte tiefer, bis mein Kinn im Wasser hing und meine Haarspitzen
schwammen, und dachte über meine Freundschaft mit Adah nach.
Wir hatten uns vor ein paar Jahren
kennengelernt, als einer meiner Klienten ermordet worden war. Ich hatte den
Fall in Zusammenarbeit mit ihr und ihrem damaligen Partner Bart Wallace gelöst.
Danach hatten wir uns öfters getroffen: Sie war nach der Arbeit in die Remedy
Lounge gekommen, das Lokal gleich hügelabwärts von All Souls, oder ich hatte
sie in ihrem Dienstgebäude abgeholt, und wir waren zusammen essen gegangen. Wir
waren im Park Fahrrad gefahren — eine meiner Konditionstrainingsstrategien —
oder hatten am Wochenende einen Ausflug in die Weinbaugebiete gemacht. Vor kurzem
hatte sie mich sogar dazu gekriegt, mit ihr ins Fitneßcenter zu gehen. Doch bei
all diesen Aktivitäten redeten wir immer auch über ihre Fälle.
Adah benutzte mich als eine Art
Resonanzboden. Sie zählte mir die Details eines akuten Falls auf, entwickelte
ihre Theorien, beobachtete meine Reaktionen, verfolgte meine Ideen weiter. Das
hatte mich nie gestört; ich hatte allenfalls das Gefühl gehabt, dazu
beizutragen, daß die Verbrecher aus den Straßen unserer Stadt verschwanden.
Aber jetzt, da ich darüber nachdachte, erkannte ich ein Muster, das mir gar
nicht gefiel.
Meine Beiträge halfen Adah öfters,
irgendwelchen Lorbeer zu erringen. Aber wenn sie ihn errungen hatte, war es
ganz allein ihrer; noch nie hatte sie meine Hilfe gewürdigt, nicht mal in Form
eines privaten Dankeschöns. Einmal hatte ich beiläufig mein Zutun erwähnt, und
ihre Reaktion hatte mich verblüfft. Was ich denn wolle, hatte sie gefragt, eine
öffentliche Belobigung? Daß mein Name in den Grundstein des neuen Gefängnisses
eingemeißelt würde?
Na ja, das nicht, aber ein paar
Dankesworte hätten nichts geschadet.
Jetzt begann ich mich zu
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