Ein wilder und einsamer Ort
ist einer von ihnen.«
»Aber aus einem völlig anderen Holz
geschnitzt.«
»Möchtest du gern glauben.«
»Ich weiß es.«
»Ich habe dich noch nie in bezug auf
einen Menschen so sicher erlebt. In bezug auf mich jedenfalls bestimmt nicht.«
Er dachte kurz nach, drehte sein Weinglas auf dem Tisch um die eigene Achse.
»Okay, ich schätze, ich sollte mich da raushalten. Ich kann nichts machen — ich
habe immer noch den Drang, dich zu beschützen. Also los, sag mir, was du
brauchst.«
Ich sagte die Liste her, die ich mir im
Kopf gemacht hatte, als ich vorhin im Büro gewesen war. Greg hielt alles auf
einem Notizblock fest. Als ich fertig war, sagte er: »Ich fange gleich morgen
früh damit an. Wo kann ich dich erreichen?«
Ich gab ihm die Telefonnummer von
Bootlegger’s Cove und fragte dann: »Was sagt man noch über Adah?«
»Daß sie böse abstürzen wird und daß es
verdammt schade um sie ist.«
»Aber wenn sie sich wieder fängt und
den Bombenleger schnappt...«
»Willst du wieder die Arbeit für sie
machen?«
Also war auch das in den höheren Etagen
des Department bekannt. Ich zuckte die Achseln.
Greg trank seinen Wein aus. Ich fragte:
»Wo gehst du jetzt hin?«
»Zu meiner Frittenbraterin. Und du?«
»In das traute Heim, das ich mit dem
Terroristen teile.«
Er sah verdutzt drein, sagte aber nur:
»Grüß ihn von mir.«
Das zweispurige Sträßchen durch das
Anderson Valley war dunkel, aber ordentlich asphaltiert und problemlos zu
fahren. Ich jagte mit ziemlichem Tempo an den geschlossenen Weinkellereien
vorbei und durch die kleinen Weiler. Auf dem letzten Stück zur Küste wurde die
Fahrbahn schmaler. Sie schlängelte sich jetzt durch dichtbewaldete Hügel. Ich
war aufgedreht von dem Espresso und forderte den MG bis an seine Grenzen, indem
ich am Ende der geraden Strecken herunterschaltete und in den Kurven
beschleunigte. Dann rauschte ich den Küsten-Highway hinunter und nahm die
kleine Straße in nördlicher Richtung, zu unserem Häuschen oben auf dem Kliff
über Bootlegger’s Cove.
Bald schon sah ich unsere
Sicherheitsbeleuchtung über dem felsigen Terrain zwischen Straße und Klippen
funkeln. Das Häuschen selbst war dunkel. Ich folgte dem Asphaltweg über die
Stelle hinaus, wo einst das Haus unserer Freunde gestanden hatte, und sagte
mir, daß hier irgendwann Hys und mein Haus stehen würde. Meine Scheinwerfer
erfaßten die kleine Hütte aus Holz und Stein in dem Zypressenhain ganz am
Klippenrand. Als ich ausstieg, packte mich der Seewind, und der Tanggeruch
stach mir in die Nase.
Ich blieb einen Moment stehen und
lauschte der Brandung, sog die Atmosphäre ein. Heute spürte ich keine
untergründige Gewalt, hörte ich keine Untertöne von Schmerz und Trauer im
Rauschen der Wellen. Das hier war keine liebliche Landschaft; sie war rauh und
zerklüftet. Aber es war eine Landschaft voller Kraft, Vitalität, Unbeugsamkeit,
und sie paßte zu Hy und mir. Wir hatten das Anwesen umgetauft: Wir nannten es
unseren Probierstein, nach dem Kieselschieferstein, den Metallurgen benutzen,
um den Reinheitsgrad von Silber und Gold festzustellen. Hy und ich waren jeder
für den anderen ein solcher Probierstein, an dem sich die Reinheit unseres
Tuns, unserer Motive und Entscheidungen erwies. Wie diese Landschaft hier war
auch unsere Berührungsfläche oft rauh und zerklüftet, aber wir fanden immer
zusammen.
Ich ging zur Tür, setzte die
Alarmanlage außer Kraft und trat ein. Schaltete die Alarmanlage wieder ein. Im
Kamin glomm ein Rest Glut, aber die beiden Räume waren völlig still. Ich spähte
durch die Schlafzimmertür und sah meinen Liebsten lang und schmal unter der
Daunendecke liegen. Er hatte die Arme um das Kopfkissen geschlungen, und sein
dunkelblondes Haar war zerzaust. Ich schlüpfte rasch ins Bad; die Müdigkeit
siegte jetzt über den Koffeinstoß. Ich streifte meine Kleider ab, putzte mir
kursorisch die Zähne, wusch mir noch kursorischer das Gesicht.
Schlafen, dachte ich. Stunden und
Stunden sanft und selig schlafen.
Im Schlafzimmer bewegte ich mich
vorsichtig, glitt ganz behutsam unter die Steppdecke. Hys Weckmechanismus
reagierte auf die kleinste Erschütterung; es war zwar Jahre her, daß er mit
einer Pistole unter dem Kopfkissen geschlafen hatte, aber eine plötzliche
Bewegung, und er würde sofort nach der 44er greifen, die er im Nachttisch
liegen hatte.
Trotz meiner Vorsicht regte er sich. Er
stieß das Kopfkissen weg und griff nicht nach der Pistole, sondern nach mir.
»McCone«,
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