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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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er
getrieben hat. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er mindestens einmal mit der
Polizei zu tun hatte. Als ich Mavis Hamid gefragt habe, warum ihre
Schwiegermutter nach Hamids Verschwinden die Polizei nicht eingeschaltet hat,
sagte sie: ›Es war so kurz, nachdem...« Und dann sagte sie, was immer geschehen
sei, es habe nichts damit zu tun, und das Thema gewechselt. So kurz nach was?
Und wie zum Teufel kann ich das herausfinden?«
    Er trank schweigend von seinem Bier und
strich sich über den Seehundsbart. Ich knabberte an meiner Unterlippe und ging
noch einmal die verschiedenen Möglichkeiten durch. Und plötzlich sagten wir
beide gleichzeitig: »Die Zeitungen!«
    Natürlich. Diplomatische Immunität
schützte zwar vor Strafverfolgung, nicht aber vor Berichterstattung. »Herrje,
ich muß an einem Gehirnstillstand gelitten haben, daß ich da nicht eher
draufgekommen bin«, sagte ich.
    Hy sah immer noch nachdenklich drein.
»Wann, hast du gesagt, ist Hamid verschwunden?«
    »Februar neunzig.«
    »Einen Monat vor dem ersten
Bombenanschlag. Hast du schon mal überlegt, ob er vielleicht der Bombenleger
ist?«
    »Der Gedanke ist mir schon gekommen.
Ich will versuchen, ein Foto von ihm zu kriegen, um zu gucken, inwieweit die
äußerliche Täterbeschreibung paßt.«
    »Und die wäre?«
    »Dürftig. Gesichtsfarbe mittel bis
dunkel, mittlere Größe, mittleres Gewicht. Nichts über die Haarfarbe, da er
immer irgendeine Kopfbedeckung aufhatte. Nichts über die Augenfarbe, da er
immer eine Piloten-Sonnenbrille trug. Widersprüchliche Aussagen über die
Stimme. Keine auffälligen Narben oder körperlichen Beeinträchtigungen.«
    »Woher stammt diese Beschreibung?«
    »Sie basiert auf den Aussagen der
Boten, die die nicht per Post verschickten Bomben zugestellt haben. Sie klingen
alle nach ein und demselben Mann, und die Sonderkommission geht davon aus, daß
sie es nur mit einer Person zu tun hat, da das psychologische Profil dieser
Sorte Bombenleger auf einen Einzeltäter verweist.«
    »Worin besteht sein Signum?«
    Jeder Bombenbauer hinterläßt, ob
absichtlich oder nicht, sein spezielles »Signum« an dem Sprengsatz. Bestimmte
subtile Details sind kennzeichnend für ihn, so wie Pinselstrich und Farbpalette
eines Ölgemäldes charakteristisch für einen bestimmten Maler sind. »Es ist
genau das Detail, das die Sonderkommission der Öffentlichkeit vorenthalten hat:
Der Mechanismus, der den Stromkreis schließt — eine Feder, die aussieht wie ein
betendes Paar Hände, zusammengehalten von einem in sich verdrehten Ring.«
    »Sehr ausgefallen.«
    »Aber immer genau gleich. Er ist sehr
präzise; die Bomben sind ordentliche Handwerksarbeit. Er hält nichts von
irgendwelchem Schnickschnack; er benutzt gewöhnliches Schwarzpulver, das man in
jedem Jagdartikelgeschäft kaufen kann. Er hat die Ruhe weg; er geht aufs
Postamt und gibt das Päckchen auf, ohne sich irgendwie auffällig zu benehmen.
Und er liebt offenbar einen gewissen Risikopegel, da er einige seiner Bomben
selbst zugestellt hat. Das alles weiß die Sonderkommission, aber es hat sie auch
nicht weitergebracht.«
    Er trank sein Bier aus und ging zum
Kühlschrank. »Tja, vielleicht findest du ja in den Zeitungen irgendwas über
Hamid, was dir auf die Sprünge hilft. Wann fährst du wieder zurück nach San
Francisco?«
    »Morgen abend. Renshaw hat Charlotte
Keim von der Data-Search-Abteilung zu meiner Unterstützung abgestellt, und ich
möchte, daß sie sich gleich am Montag morgen darum kümmert.«
    Hy begann, kleine Einkaufspäckchen aus
dem Kühlschrank zu holen: Austern, Räucherlachs, einen Krebs. Für heute abend
hatten wir uns auf ein unaufwendiges kaltes Mahl aus Meeresfrüchten und
Sauerteigbaguettes geeinigt. »Gute Wahl. Sie hat mir geholfen, bevor ich nach
Managua gegangen bin.« Seine Stimme klang erstickt, weil er nach einem Päckchen
Shrimps suchte, das sich in die Tiefen des Kühlschranks verirrt hatte.
»Charlotte ist nicht nur schlau und ein absoluter Vollprofi, sie ist außerdem
auch noch nett anzuschauen und hat einen Wahnsinnshumor — was man nicht von
allzu vielen unserer Leute sagen kann.«
    »Hm.« Ich sah die attraktive, brünette
junge Frau vor mir.
    Hy tauchte wieder aus dem Kühlschrank
auf, griff nach einer Schürze und warf sie mir zu. »Hör auf, eifersüchtig zu
sein, und fang schon mal an, diesen Krebs zu knacken, während ich die Austern
öffne.«
    »Eifersüchtig, ich?«
    »O doch, du bist eifersüchtig.«
    »Und du bist es wohl

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