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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sagte er, »wird auch Zeit.«
    Nichts mit sanft und selig schlafen —
vorerst jedenfalls.
    Aber wen kümmerte das schon?
     
     
     
     

7
    Abgesehen von einem langen Spaziergang
am nebelverhangenen Strand, verbrachten wir den Samstag gemütlich vor dem
Kamin. Hy lag auf dem Sofa und studierte Berichte über die militärische Lage
auf Haiti; mit der dunkelrandigen Lesebrille auf halber Höhe seiner Adlernase
gab er eher einen Collegeprofessor ab als einen Spezialisten, der die Chancen
abschätzte, einen haitianischen Dissidenten über die Grenze zur Dominikanischen
Republik zu bringen. Die Kunde von dem wohlfinanzierten Ein-Mann-Kreuzzug, den
er im letzten Herbst unternommen hatte, war unter den
Menschenrechtsorganisationen rasch umgegangen; das hier war die zweite
Rettungsaktion, die ihm eine Gruppe in Miami übertragen hatte.
    Ich lümmelte in dem großen gepolsterten
Rattansessel und las mich durch Micks Rechercheergebnisse. Hy murmelte
gelegentlich vor sich hin, und wenn ich aufblickte, sah ich ihn etwas notieren.
Als ich meinerseits beim Lesen losprustete, hielt er inne und nahm die Brille
ab. »Was ist denn so komisch?«
    »Mick. Jedesmal, wenn er einen
komplizierteren Bericht für mich verfaßt, gehen ihm die Pferde durch. Falls
seine Leidenschaft für die Ermittlungsbranche je abkühlen sollte, könnte er gut
einer von diesen schnoddrigen Klatschkolumnisten werden. Hör dir das an: Es
geht um den Emir von Azad, Sheila Said bin Muhammad al-Hamid.
    ›Der Sheik ist schon eine Type. Er steht
auf Blumen und hat Millionen verpulvert, um mitten in der Wüste einen
Englischen Garten anzulegen. Als sein alter Herr starb, war sein Bruder am
Drücker, und Said war das gar nicht recht. Was also tut der Gute? Er lädt sein
Bruderherz ein, seine neuen Rosensträucher zu besichtigen, und jagt ihm eine
Kugel in den Rücken. Hinterher kamen ihm wohl Skrupel; er wandelte sich nämlich
zu einem Wiedergeborenen — so was haben sie dort auch, nur auf islamisch. Er
schwang sich auf zum Hüter von Moral und Familie und führte die Steinigung als
Strafe für Vergewaltigung und Mord wieder ein. Es heißt, er versucht, Azad ins
neunzehnte Jahrhundert zurückzukatapultieren; wahrscheinlich leben deshalb so
viele Azadis im Ausland. Azad scheint, offen gestanden, ein ziemlich langweiliges
Fleckchen Erde zu sein.
    Das Leben des Sheiks hingegen ist alles
andere als langweilig. In den siebziger Jahren baute sein Vater die Hauptstadt
Djara im großen Stil aus. Aber leider war der alte Knabe ein Geizkragen, der
immer das billigste Gebot nahm, weshalb jetzt alles am Zusammenbrechen ist —
einschließlich des Palastes, was zur Folge hat, daß der Sheik dauernd umziehen
muß. Und seine Familie — du glaubst es nicht, dagegen ist unsere geradezu
normal. Da ist dieser eine Bruder, den er immer wieder in eine Klapsmühle in
der Schweiz verfrachten muß. Ein anderer Bruder hat das nette Hobby, seine
Bediensteten aufzuhängen, wenn sie ihn nerven. Bis jetzt ist noch keiner dabei
draufgegangen, weil der Bruder den Trick mit den Knoten noch nicht richtig raus
hat. Saids Tochter springt auch ziemlich grob mit den Bediensteten um — sie
versucht sie immer ins Bett zu zerren, und wenn sie nicht kooperieren, setzt
sie sie nackt in der Wüste aus. Kein Wunder, daß die Herrscherfamilie
heutzutage Probleme hat, anständiges Personal zu finden. Saids Frau ist
abhängig von Tranquilizern — wer wäre das nicht an ihrer Stelle? Und allesamt
saufen heimlich, bis auf den Sheik. Das ganze Land säuft. Die Hauptstadt hat
fünfzigtausend Einwohner, und davon sind zehntausend amtlich beglaubigte
Alkoholiker. Und viele Männer teilen das Bett lieber mit ihren Pokerkumpanen
als mit ihren Ehefrauen. Das alles stammt aus einem Report im Auftrag ihres
Ministeriums für Gesundheit und Soziales. Die Azadis sind so unterbelichtet,
daß sie das Ding sogar veröffentlicht haben.‹«
    Hy lachte und sagte kopfschüttelnd:
»Der Bursche ist wirklich gut.«
    »Was glaubst du, wieviel davon stimmt?«
    »Na ja, das Zeug über die
Herrscherfamilie mag vielleicht übertrieben sein — das kann er ja wohl nicht
aus einem Regierungsbericht haben —, aber der Rest paßt durchaus zum Nahen
Osten, wie ich ihn erinnere.«
    »Ach?« Er hatte mal erwähnt, daß er für
Dan Kessells Chartergesellschaft Nachschub zu Ölfeldern geflogen hatte.
    »Ja, die Repression läßt die Leute
irgendwann regelrecht austicken, und der Alkoholismus ist wirklich so
verbreitet. Mitte der siebziger

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