Ein wilder und einsamer Ort
Jahre ist einer unserer Leute — ein
Spitzenpilot namens Ralston — in Katar im Gefängnis gelandet. Der Kerl hatte
heimlich Alkohol importiert und sich damit eine goldene Nase verdient, aber als
sie ihn erwischten, drohte ihm lebenslänglich. Dan und ich sind hingeflogen,
haben eine Ladung Rohrmuffen abgeliefert und anschließend die US-Dollars unter
die Gefängniswärter verteilt. Beim Abflug hatten wir Ralston in der Flugzeugwand.
So sind wir überhaupt auf diese Methode gekommen.«
Die Flugzeugwand-Methode besteht darin,
einen Menschen in möglichst viel Isolationsmaterial zu wickeln und ihn dann
zwischen der inneren Kabinenwand und der Außenwand des Flugzeugs zu verstecken,
wo ihn Polizei und Zoll nicht finden. Bei längeren Flügen in großer Höhe können
die Außentemperaturen, die dort oben herrschen, zu Erfrierungen oder sogar zum
Tod führen, und trotz aller Vorsichtmaßnahmen kann immer etwas schiefgehen —
wie Hy nach einer Mission in Laos hatte feststellen müssen.
Ich schwieg einen Moment, dachte an die
Pein in seiner Stimme, als er mir erzählt hatte, wie er nach der Landung in
Hongkong die steifgefrorenen Leichen des laotischen Regierungsbeamten und
seiner Familie entdeckt hatte. Sie hatten seine Anweisungen nicht verstanden
und sich, sobald sie an Bord waren, aus ihren Schutzhüllen gepellt. In dem
engen Zwischenraum hatten sie sich nicht wieder einpacken können.
Hy sagte: »Hey, McCone, ist schon okay.
Ich habe diese alten Geschichten inzwischen verarbeitet.«
Ich nickte und legte Micks Bericht auf
den Boden. »Hör mal, wie wär’s mit einer kleinen Pause. Ich muß ein paar Sachen
mit dir durchchecken.«
»Klar.« Er stand auf und schloß die
Läden, um den düsteren Nebel auf der Seeseite auszusperren. »Ich weiß nicht,
wie’s dir geht, aber ich könnte ein Bier vertragen.«
»Rotwein, bitte.«
Er ging in die Miniküche und kam mit
dem Bier und dem Wein wieder. Ich zog aufs Sofa um und machte es mir in der
einen Ecke bequem, die Füße auf seinen bejeansten Oberschenkel gestützt.
»Wo liegt das Problem?« fragte er.
»Ich komme mit diesem Fall nicht
weiter. Die Sonderkommission hat sich bisher ganz auf den Bombenleger
konzentriert — ein Täterprofil erstellt, Hinweise zu mobilisieren versucht. Sie
haben außerdem auch Profile der Opfer, der betroffenen diplomatischen
Vertretungen und der jeweiligen Staaten erstellt, aber nur sehr oberflächlich.
Also habe ich zuerst mal zugesehen, daß ich ausführlichere Profile
zusammenkriege, und dann nach Gemeinsamkeiten gesucht. Es gab keine.«
»Und jetzt hast du dich — aufgrund
dessen, was Gage dir erzählt hat — auf die Azadis konzentriert?«
»Ein Weilchen dachte ich, ich hätte
wirklich eine Spur, aber es paßt alles nicht zusammen.«
»Na ja, noch hast du ja nicht die Informationen,
um die du deinen Freund Greg gebeten hast.«
»Nein, und das heißt vermutlich, daß er
nichts gefunden hat, weil er gesagt hat, daß er sich gleich heute morgen
dranmachen würde. Früher hat es mal ziemlich lange gedauert, bis Archive auf
Anfragen geantwortet haben, aber inzwischen sind sie voll computerisiert und
online; man kommt innerhalb von Minuten an ihre Daten heran.«
»Komisch, wo doch einer der Leute, die
er für dich überprüfen sollte, angeblich mit organisiertem Glücksspiel zu tun
hatte.«
»Ja, aber die Sache hat einen Haken.
Das ist mir gestern abend eingefallen, und ich habe Mick gebeten, es zu
überprüfen — darum ging es in dem Fax, das er hierhergeschickt hat.«
»Und?«
»Der Haken ist die diplomatische
Immunität.«
»Ach!«
Ich fischte nach Micks Fax und las vor:
»›Nach Artikel einunddreißig des Wiener Abkommens über diplomatische
Beziehungen aus dem Jahr neunundsechzig genießen Botschafter und anderere
diplomatische Vertreter sowie deren direkte Angehörige in ihren Gastländern
absolute straf- und zivilrechtliche Immunität. In der Rechtsprechung wurde
entschieden, daß zu diesen direkten Angehörigen Ehepartner und Kinder zählen.
Dieser Grundsatz wurde zwar in Einzelfällen in Frage gestellt, im Ganzen jedoch
aufrechterhalten.‹ Das heißt, selbst wenn sie Dawud Hamid in flagranti beim
Betreiben der größten Glücksspieleinrichtung im ganzen Land erwischt hätten,
wäre er binnen einer Stunde wieder frei gewesen. Ergo gibt es keine
Kriminalakte über ihn.«
»Nichts zu wollen.«
»Verdammt!« Ich feuerte das Fax auf den
Boden. »Es muß doch irgendeinen Weg geben, in Erfahrung zu bringen, was
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