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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Hamids einziges Kind. »Ist Onkel Klaus der Bruder deiner Mutter?«
    »Nein, er ist kein richtiger Onkel; Omi
hat nur gesagt, ich soll ihn so nennen. Er ist der Geschäftspartner von meinem
Dad.«
    »Was für Geschäfte machen sie denn?«
    »Na ja, sie verwalten irgendwie Geld,
und sie müssen beide viel reisen. Dad sagt, er erklärt es mir, wenn ich größer
bin. Verstehst du, warum ich sage, daß er nicht weiß, wie er mit mir reden
soll? Er tut, wie wenn ich drei wäre!«
    In mancherlei Hinsicht wirkte Habiba
tatsächlich noch nicht wie eine Neunjährige; sie führte ein extrem behütetes
Leben innerhalb des Konsulats. Auf der anderen Seite zeigte sie einen fast
schon erwachsenen Durchblick, was ihre Eltern anging. »Klaus«, sagte ich, »das
ist ein deutscher Name.«
    »Ja, er hat mir mal erzählt, daß er in
Deutschland geboren wurde, aber er ist schon als Jugendlicher weggegangen.«
    »Deine Großmutter...«
    Habiba beugte sich jäh vor und spähte
durch die Windschutzscheibe. »O nein, da ist Mr. Renshaw!«
    Wir waren um die letzte Ecke gebogen
und näherten uns dem RKI-Mobil. Gage stand mit finsterer Miene hinter dem Wagen
und winkte mich heran.
    »Er wird Omi sagen, daß ich mich
rausgeschlichen habe!« Habibas Hand umklammerte meinen Arm.
    »Das glaube ich nicht.« Ich hielt.
Renshaw beugte sich herunter, sah Habiba und guckte irritiert.
    Ich beugte mich an ihr vorbei und
kurbelte das Fenster herunter. »Hi, Gage. Habiba wollte mal ein bißchen nach
draußen, da habe ich ihr vorgeschlagen, eine kleine Spazierfahrt mit mir zu
machen. Ich habe ihr gesagt, Sie hätten nichts dagegen.«
    Renshaw verbarg seinen Ärger rasch.
»Die Kinderfrau macht sich schon Sorgen. Wir bringen sie besser nach Hause.« Er
öffnete die Wagentür und verbeugte sich. »Darf ich Sie in Ihr Schloß
zurückgeleiten, Mylady?«
    Ich war baff; solange ich Renshaw
kannte, hatte ich an ihm nie das kleinste Fünkchen spielerischer Phantasie
bemerkt. Habiba kicherte.
    Ich sagte: »Der Lady wäre es lieber,
wenn die Königin nichts von diesem Ausflug erführe.«
    »Selbstverständlich.«
    Die Kleine wandte sich mir zu. »Danke«,
sagte sie leise. »Und danke, daß du so nett zu meiner Mom warst.« Dann setzte
sie hinzu: »Wie heißt du?«
    »Sharon.«
    »Sharon.« Sie formte die Silben
langsam, kostete sie aus.
    Renshaw sagte: »Ihre Eskorte wartet,
Mylady.«
    Habiba stieg aus.
    »Warte«, sagte ich. »Dieses
Geheimzeichen, das ihr hattet, deine Mutter und du? Das Zwinkern? Wie wär’s,
wenn wir es übernehmen, du und ich und Mr. Renshaw? Wenn du aus irgendeinem
Grund mit einem von uns reden willst, ohne daß jemand dabei ist, brauchst du
einfach nur zu zwinkern und irgendwas zu sagen, wo der Ort drin vorkommt, an
dem wir uns treffen sollen, und die Zeit.«
    »Echt? Das fände ich toll.«
    »Denk dran — wenn irgend etwas ist. Und
wir machen es umgekehrt genauso.«
    Renshaw lächelte mir zu und machte über
Habibas Kopf mit Daumen und Zeigefinger ein anerkennendes Zeichen. Er kapierte
nicht, daß ich dieses Spiel nicht um der Ermittlungen willen erfunden hatte.
Ich hatte es für sie getan.
     
     
     
     

6
    Also: Was hatte ich an Fakten?
    Einen Haufen Ereignisse, die irgend
etwas mit den Aktivitäten des Bombenlegers zu tun haben mochten oder auch
nicht. Diverse Verhaltensweisen der Konsulin, die keinen Sinn ergaben. Eine
schwergeschädigte Frau und ein emotional ausgehungertes kleines Mädchen, die
praktisch als Gefangene in einem Haus lebten, das offiziell fremdes
Hoheitsgebiet war. Einen Mann, von dem es hieß, er sei verschwunden und der
doch nicht verschwunden war.
    Und was sollte ich mit alldem anfangen?
    Gar nichts, außer heimzufahren, die
Kartons einzuladen, die ich am Nachmittag gepackt hatte, und mich auf den Weg
zu machen, den Highway 101 immer nach Norden, bis zu dem Abzweig zur Küste
durch das Anderson Valley.
    Und dennoch...
    Während ich in der Market Street an einer
Ampel stand, rief ich im Büro an. Freitags und samstags abends war Mick
gewöhnlich dort, während Maggie — Medizinstudentin im Vorphysikum — Spätdienst
in einem Pflegeheim hatte. Als mein Neffe abnahm, schien er erleichtert, meine
Stimme zu hören. »Ich versuche dich schon den ganzen Abend zu erreichen. Du
solltest wirklich mal erwägen, dir einen Piepser anzuschaffen.«
    Dann hätte er mich da, wo er mich haben
wollte — an der kurzen Leine. »Ich werde drüber nachdenken«, log ich. »Was
gibt’s?«
    »Geh nicht nach Hause.«
    »Warum

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