Ein wilder und einsamer Ort
kleine weiße Maschine und ich folgten
der Küstenlinie nach Süden, als hätten wir diese Reise schon oft gemacht. Die
Doppelsieben-zwo-acht-neun — so lautete ihr Kennzeichen — reagierte auf jede
Steuerbewegung wie ein Rennpferd auf die Hilfen eines Jockeys.
Mir war ein bißchen flau gewesen, als
ich Hy auf dem Mendocino County Airport in Little River ein letztesmal
zugewinkt hatte, aber im Moment des Abhebens kurierte mich ein Schub freudiger
Erregung. Als ich über dem Meer nach Süden abschwenkte, fühlte ich mich bereits
kompetent und selbstsicher und verstand zum erstenmal wirklich, was
Alleinfliegen bedeutet.
Man löst sich vom Erdboden — ein
Triumph über die Schwerkraft und die menschliche Begrenztheit. Je mehr Höhe man
gewinnt, desto ausschließlicher konzentriert man sich auf das Hier und Jetzt.
Man prüft dieses, korrigiert jenes. Es gibt nur noch einen selbst und die
Maschine; alles andere ist weit weg und unwichtig. Man kann sich nur noch auf
die eigenen Fähigkeiten und Instinkte verlassen.
Über Bodega Harbor merkte ich, daß sich
meine Welt auf das Elementare reduziert hatte. Dort unten herrschten Chaos und
Komplexität in jeder Form, aber hier oben tangierte mich das alles nicht. Meine
Gedanken waren klar, meine Bewegungen sicher. Ich hatte es mit der höchst
realen Gefahr zu tun, vom Himmel in den Tod zu stürzen, und ich war ihr
gewachsen.
Und genau darum geht es, dachte ich.
Risiken einzugehen und sie zu überwinden.
Mein Verhältnis zur Gefahr war immer
schon eine Haßliebe gewesen. Ich war vor ihr weggelaufen, an ihrem schmalen
Rand entlangbalanciert, hatte mich kopfüber hineingestürzt. Jetzt nahmen wir
unsere Affäre wieder auf.
Als ich Kurs auf den Flughafen von
Oakland nahm, wußte ich: Ich hatte mich noch nie so lebendig gefühlt — und so
frei.
8
Das Taxi setzte mich um zwanzig nach
sechs vor Adahs Haus ab. Es war ein prächtiger alter Wohnkomplex im spanischen
Stil an der North Point Street, nicht weit vom Marina Green und dem Jachthafen.
Ein maurischer Torbogen in der weiß verputzten Fassade führte in einen
mosaikgepflasterten Innenhof, wo rings um einen Springbrunnen Rosen blühten;
die Wohneinheiten waren gestaffelt angeordnet, mit individuellen Zugangstreppen
und winzigen Schmiedeeisenbalkons. Ich stieg zu Adahs Apartment empor und klopfte
an die solide Tür.
Das Guckfensterchen ging auf, und Craig
Morlands blasses, schmales Gesicht erschien, angespannt vor Wachsamkeit. »Ms.
McCone?«
»Ja.«
»Können Sie sich bitte ausweisen?«
FBI-Beamte! Ich nahm die Klapphülle mit
meinen Ausweisen aus der Handtasche und hielt sie hoch. Morland trat prompt
zurück und betätigte die Verriegelung. »Tut mir leid«, sagte er, während er mir
die Tür aufhielt. »Ich habe Sie nur ein paarmal kurz gesehen, und da in
formeller Kleidung, deshalb habe ich Sie nicht erkannt. Mein Training schlägt
an den merkwürdigsten Stellen durch.«
»Ist schon okay.« Ich bückte mich, um
Adahs weißen Kater Charley zu streicheln, der um meine Beine strich. Wie meine
erste Katze hatte Charley einem Mordopfer gehört; Adah hatte ihn auf mein Drängen
adoptiert. »Wie geht es ihr?« fragte ich und zeigte auf die geschlossene
Schlafzimmertür.
»Sie schläft.«
Während Morland die Eingangstür wieder
schloß und die Verriegelung noch einmal kontrollierte, musterte ich ihn kurz.
Obwohl Sonntag war, trug er einen dunklen Anzug, eine dezente Krawatte, ein
weißes Hemd und klassische Lederhalbschuhe. Was die seriöse Ausstrahlung seiner
FBI-Uniform trübte, war die Panade aus Katzenhaaren: Charley liebte jede Sorte
Stoff, an der seine Haare hafteten. »Haben Sie die andere Waffe gefunden?«
fragte ich.
»Ja. Danke, daß Sie mich davon in
Kenntnis gesetzt haben.«
»Erzählen Sie mir genauer von diesem
mißlichen Vorfall, von dem Sie sprachen.«
Morland deutete auf das Sofa mit dem
Klecksmuster in leuchtenden Primärfarben. Wir setzten uns. Der Bezugsstoff war
Ausdruck von Adahs Persönlichkeit — und immun gegen Katzenhaare —, aber der
FBI-Agent wirkte auf diesem Möbel absolut deplaziert. Charley sprang zwischen
uns und versuchte, Morland auf den Schoß zu krabbeln; der schubste ihn mit
zusammengekniffenen Lippen weg. Ich schnalzte leise mit der Zunge, und der
Kater kam zu mir herüber und bearbeitete mit den Tatzen meine Oberschenkel.
Ich fragte: »Na, alter Knabe, wieso
bist du nicht da drin, um Adah zu trösten?«
Morland sah mich erschrocken an und
grinste dann
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