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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nie?«
    »Niemals. Ach, übrigens, wieso bist du
letzte Nacht eigentlich erst so spät gekommen, nach diesem angeblichen
Arbeitstreffen mit deinem Ex-Lover?«
    Ich lächelte ihn liebreizend an und
band mir die Schürze um.
    Der Sonntagmorgen war klar, das Meer
gläsern und ruhig. Wir verarbeiteten die Reste vom Vorabend zu einem
Riesenomelett und stiegen dann die Holztreppe hinunter, die an der Steilklippe
über der Bucht verankert war. Wir marschierten ein paar Stunden am Strand
entlang, sammelten Muscheln und Treibholz und erkundeten die Höhlen, in denen
die Schnapsschmuggler während der Prohibition ihre Ware gelagert hatten. Es war
schon nach eins, als wir wieder zum Häuschen zurückkamen. Das Telefon läutete,
und meine nassen, sandigen Turnschuhe glitschten über den Dielenboden, als ich
hinrannte, um es noch zu erwischen.
    Eine mir unbekannte Stimme sagte: »Ms.
McCone?«
    »Ja?«
    »Tut mir leid, daß ich Sie am
Wochenende störe. Hier ist Craig Morland. Ich bin einer der FBI-Beamten in der
Diplobomber-Sonderkommission.«
    Morland — dieser farblose Typ, der nach
dem Anschlagsversuch mit Adah im Konsulat gewesen war. »Was gibt es, Mr.
Morland?«
    »Wir haben hier ein Problem, und Adah
Joslyn wollte, daß ich Sie anrufe.«
    Ein nervöses Kribbeln stieg mein
Rückgrat empor. »Ist etwas mit ihr?«
    »Sie ist nicht verletzt, keine Sorge.
Tut mir leid, ich wollte Sie nicht beunruhigen, Ma’am.« Jetzt bemerkte ich
einen Hauch von Südstaatentonfall in seiner Stimme, als ob er im Süden geboren,
aber schon vor langer Zeit von dort weggegangen sei. »Das Problem ist, daß Adah
suspendiert wurde. Es gab da gestern... einen mißlichen Vorfall, und der Leiter
der Sonderkommission und ihr Chef haben befunden, daß sie wohl etwas Zeit für
sich haben sollte.«
    Ein mißlicher Vorfall. Morland hatte
zögernd geklungen. Ich beschloß, vorerst nicht näher nachzufragen. »Wo ist
sie?«
    »Zu Hause. Von da rufe ich auch an. Ich
habe heute morgen hier vorbeigeschaut, um zu sehen, wie es ihr geht, und
ehrlich gesagt — ich habe Bedenken, sie allein zu lassen.«
    »Warum?«
    »...Nun ja, sie ist nicht sie selbst.«
    »Inwiefern?«
    »Sie ist sehr verschlossen. Vorhin hat
sie geweint, und jetzt hat sie sich in ihrem Schlafzimmer verbarrikadiert. Ich
habe ihre Dienstwaffe an mich genommen.«
    Adah selbstmordgefährdet? »Und was ist
mit der Neun-Millimeter-Automatik?«
    »Ich wußte nicht, daß sie eine hat; ich
werde mich danach umsehen. Aber der Grund, weshalb ich Sie anrufe — sie sagt,
wenn Sie irgendwann vorbeikommen und mit ihr reden könnten, würde ihr das sehr
helfen.«
    »Als ich das letztemal mit ihr reden
wollte, hat sie den Hörer aufgeknallt.«
    »Offenbar hat sie sich’s anders
überlegt. Sie hat mich gebeten, bei Ihnen anzurufen.«
    Ich hatte überhaupt keine Lust,
vorzeitig abzufahren, aber es klang ernst. »Ich kann in etwa vier Stunden da
sein. Können Sie solange bei ihr bleiben?«
    »Ich kann die ganze Nacht bleiben, wenn
es sein muß.«
    Ich beendete das Gespräch und legte
auf. Ich fragte mich, welcher Art das Verhältnis zwischen Adah und diesem
ziemlich fade wirkenden FBI-Mann sein mochte, daß er willens war, die ganze
Nacht ihr Kindermädchen zu spielen.
    Hy war hinter mir hereingekommen und
hatte gerade noch das Ende des Gesprächs mitgekriegt. Als ich mich umdrehte,
lächelte er wehmütig. »Keine Ruhe, was?«
    Ich nickte, traurig, weil wir um
unseren gemeinsamen Nachmittag gebracht wurden.
    »Du mußt gleich los?«
    »Adah braucht mich; sie ist vorerst
suspendiert und kommt nicht damit klar.«
    »Hey, ich habe eine Idee, wie wir noch
ein bißchen Zeit rausschlagen können.«
    »Wie?«
    »Ganz einfach. Du nimmst die Citabria.
Ich fahre den MG morgen runter.«
    Ich blinzelte verdutzt. »Die Citabria —
allein?«
    »Klar doch. Ich würde ja mitkommen,
aber ich muß diese Berichte noch durcharbeiten, und außerdem können wir deinen
Wagen nicht einfach am Flugplatz stehenlassen. Du schaffst es schon. Seit du im
Winter unter die Alleinflieger gegangen bist, kurvst du doch wie ein alter Hase
durch die Gegend.«
    Um die Bay Area und den kleinen
Flugplatz von Mono County zu kurven war nicht dasselbe wie allein von Little
River nach Oakland zu fliegen.
    Plötzlich konnte ich es nicht mehr
erwarten, mich auf den Heimweg zu machen.

 
     
     
     
    1500 Fuß über der Küste von Mendocino

21.
Mai, 15 Uhr 33
     
     
    Es war eine weite, wunderschöne Welt
hier oben und überhaupt nicht einsam. Die

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