Ein wilder und einsamer Ort
ihr?«
»Nein.«
»Hast du Renshaw oder seine Leute
informiert?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mrs. Hamid
hatte mir ja gesagt, sie würde sich drum kümmern und jemand würde uns Bescheid
geben.«
Und dann hatte sie es sicher ganz aus
Versehen vergessen.
Ich sah auf das neue Stück Pizza, das
ich mir gerade genommen hatte, und legte es wieder in den Karton. Mir war der
Appetit vergangen. »Das war nur der erste einer ganzen Serie von
Anschlagsversuchen — darauf würde ich meine Lizenz verwetten.«
Adah zog eine Grimasse. »Und ich meine
Karriere — wenn ich noch eine hätte.«
Ich sagte: »Ich sehe wohl besser zu,
daß ich Renshaw erwische.«
9
Renshaw war nach Südkalifornien
zurückgeflogen, aber in seiner Wohnung erreichte ich ihn nicht. Ich rief den
Hauptsitz von RKI in La Jolla an und schaffte es mit Hilfe der
Notfall-Codenummer, die er mir am Freitag gegeben hatte, den Nachtdienst in der
Telefonzentrale dazu zu bewegen, Gage aufzuspüren. Als er zurückrief, löcherte
Adah mich schon fast eine halbe Stunde, mit dem herauszurücken, was ich über
die Azadis wußte.
»Wo sind Sie?« fragte ich ungeduldig.
»Orange County. Was gibt’s?«
Ich berichtete ihm von dem Brief, den
Adah abgefangen hatte. »Mrs. Hamid hat Ihnen nichts davon gesagt, oder?«
»Nein.« Renshaw zögerte. »Ich rufe Sie
zurück. Ich will zuerst schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Konsulat anordnen.«
Ich legte das schnurlose Telefon ab,
das ich mir aus Adahs Schlafzimmer geholt hatte, und sah sie streng an. »Noch
eine Frage, und ich nehme das Telefon und schließe mich im Bad ein.«
Sie zuckte mürrisch die Achseln und
brachte die Pizzareste nach drinnen. Die Abendluft war immer noch warm — ein
Warnzeichen, daß wir womöglich einer jener Hitzewellen entgegengingen, für die
San Francisco so schlecht gerüstet ist. Ich setzte mich wieder in den
Deckstuhl; als Adah zurückkam, zog sie den Korbsessel ans Geländer, setzte sich
hinein und legte die Füße hoch.
»Ich liebe diese Terrasse«, erklärte
sie in einem bemüht-lockeren Konversationston, der mir sagte, daß sie
beschlossen hatte, in ihrem eigenen Interesse das Thema Azadis zu meiden. »Wenn
ich zu müde zum Lesen bin und das Fernsehprogramm zu mies ist, setze ich mich
hier raus und beobachte die Leute. Dann komme ich mir manchmal vor wie dieser
Typ, den Jimmy Stewart in Fenster zum Hof spielt.«
»Ach? Und siehst du dabei was
Interessantes?«
»Da drüben, das Apartmenthaus hinter
dem Zaun. Ich habe allen Mietern Namen gegeben, genau wie der Typ im Film. Da
gibt es Mrs. Krümelmonster — eine dicke, fette Frau, die immer nur in der Hollywoodschaukel
sitzt und nichts weiter tut, als Doppelkekse essen, morgens, mittags und
abends. Sie klappt sie auseinander und leckt zuerst die Creme ab. Und dann ist
da Mr. Duck. Er kommt in einem von diesen komischen europäischen Autos hier
unten angefahren und parkt bei dem Müllcontainer. Watschelt rein, bleibt ein
paar Stunden, watschelt wieder raus und schmeißt seinen Müll in den Container,
bevor er wieder wegfährt. Er fasziniert mich, diese Wohnungen sind nicht
besonders groß, und er ist nicht oft da, aber er macht offensichtlich einen
Haufen Müll. Ms. Federhut fasziniert das auch.«
»Wer ist das?« Trotz meiner Anspannung
wegen der Situation im Konsulat interessierte mich Adahs Geplauder —
hauptsächlich deshalb, weil es eine Phantasie offenbarte, von der ich bei ihr
noch nichts bemerkt hatte.
»Ms. Federhut wohnt in dem Haus, aber
sie benimmt sich wie eine Stadtstreicherin und wühlt immer anderer Leute Müll
durch. Sie besitzt eine ganze Kollektion extravaganter Federhüte, und sie macht
sich immer fein, bevor sie die Container inspiziert. Mr. Ducks Müll scheint ihr
besonders gut zu gefallen; eines Tages werde ich ihn selbst mal durchstöbern,
nur um zu sehen, was daran so interessant ist. Und dann ist da noch Mr…«
Das Telefon läutete. Ich nahm ab, und
Renshaw sagte: »Ist erledigt. Gibt es sonst noch was zu berichten?«
»Nein, aber ich frage mich, ob Sie die
Kleine nicht dort rausholen sollten. Und ihre Mutter auch.«
»Das habe ich Mrs. Hamid gerade
vorgeschlagen. Sie hat sich geweigert.«
»Sie setzt lieber das Leben der beiden
aufs Spiel, als ein Fitzelchen Kontrolle aufzugeben? Das ist doch nicht
normal!«
»Sie wissen das, und ich weiß es, aber
juristisch ist sie im Recht. Die Kleine ist minderjährig, und die Mutter ist
nicht in der Lage, sich um sie zu kümmern. Ich weiß
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