Ein wilder und einsamer Ort
Flugplatz nach einem
Schauspieler benannt war. In meinen Augen war das unlogisch. Hatte dieser Staat
nicht zweimal einen viel schlechteren Schauspieler zu seinem Gouverneur
gewählt? Und hatte nicht das ganze Land selbigen ins Weiße Haus beordert? Die
Flughafen-Kommission hatte John Wayne wenigstens erst nach seinem Tod geehrt,
statt ihm die Oberaufsicht im Kontrollturm zu übertragen.
Ich sichtete Renshaw in einer
Sitznische im hinteren Teil des Restaurants, über eine Tasse Kaffee gebeugt.
Hier in seiner heimischen Umgebung war er leger gekleidet, aber das sportliche
Hemd und die leichte Hose sahen genauso knittrig und abgewetzt aus wie der
Anzug und die Krawatte, die er droben im Norden trug. Es hieß, Gage sei
Multimillionär, und Hy hatte mir erzählt, daß er in anderen Bereichen durchaus
Geschmack bewies. Ich kam zu dem Schluß, daß seine Kleidung ein gezielter
Versuch war, das Image einer extrem skrupellosen Branche abzuschütteln.
Dan Kessell hatte sich bei RKI immer im
Hintergrund gehalten und Renshaw den Klienten und der Presse als Frontmann
präsentiert. Gage gab öfters Zeitungen und Illustrierten Interviews, in denen
er letztlich erklärte: »Ach Gott, wir sind doch nur eine kleine Firma, die
Managern Selbstverteidigungstaktik beibringt und Sicherheitssysteme für
Unternehmen konzipiert. Wir sollen außerhalb des Gesetzes operieren? Ich bitte
Sie! Wirke ich vielleicht wie jemand, der etwas Illegales tun würde?«
Aber illegale Aktivitäten zogen sich
durch Renshaws Leben, seit er damals bei der Drogenbekämpfungseinheit in
Südostasien gewesen war.
Damals war zwischen den
kriegsgebeutelten Ländern ein reger Schmuggel im Gang gewesen, und während
Gages Job darin bestanden hatte, illegale Drogentransporte zu unterbinden,
hatte er im Nebenjob Profit aus illegalen Transporten von Waren und Menschen
gezogen. Hy hatte mir erzählt: »Gage hat Kessell mindestens einmal in der Woche
einen Auftrag vermittelt. Neben seinem offiziellen Job war er dauernd am Ball,
um irgendwelche Kontakte einzufädeln. Die Leute wollten alle möglichen Dinge
schnell irgendwohin verfrachten — Waffen, Gold, Schmuck, Kunstgegenstände,
ungeschliffene Steine, Devisen. Und Drogen, obwohl Gage immer so getan hat, als
wüßte er nichts davon. Die Leute wollten sich absetzen oder ihre Familien außer
Landes schaffen — koste es, was es wolle. Und es kostete eine Menge, denn bevor
Kessell sie schröpfte, hielt schon Renshaw die Hand auf, um seine
Vermittlungsprovision zu kassieren.«
Es waren wilde und gefährliche Zeiten
gewesen. Eine ganze Menge Leute waren reich geworden, und die übrigen —
darunter auch Hy — hatten auch ihren Teil abkassiert. Aber wie mein Liebster
hatten auch viele andere mehr mit nach Hause gebracht als nur die Nummer eines
Schweizer Bankkontos: Alpträume, hermetisch weggesperrte Dämonen, genügend
Gewissenbisse für zehn Leben. Während ich auf Renshaws Sitznische zuging,
fragte ich mich, wie wohl seine schlaflosen Nächte aussehen mochten. Wenn er
ein menschliches Wesen war — und darüber hatte die Jury noch nicht befunden —,
mußten es Nächte sein, wie ich sie hoffentlich niemals würde durchmachen
müssen.
Gage erhob sich und forderte mich mit
einer Handbewegung auf, mich auf den Platz ihm gegenüber zu setzen. Ich nickte
der Bedienung zu, die mit einer Kaffeekanne erschienen war, und überflog dann
die Speisekarte. Da ich schon vor fünf aufgestanden war, war ich am Verhungern,
und ich bestellte mir Cornedbeefhaschee mit pochierten Eiern, ein englisches
Muffin und Tomatensaft. Renshaw guckte erstaunt und ein bißchen angewidert.
»Darf ich davon ausgehen, daß Sie reden
können, während Sie dieses ganze Zeug in sich reinschaufeln?«
»Kein Problem. Aber wir haben ein
Problem, und zwar mit den Azadis. Erstens mal muß Mrs. Hamid zulassen, daß
Habiba und Mavis aus der Gefahrenzone verschwinden. Ich schlage vor, wir
quartieren sie in der Gästesuite Ihres Firmengebäudes in San Francisco ein;
dort gibt es weiß Gott alles, was man braucht, um ein Kind bei Laune zu halten,
und jemand von Ihren Leuten wird doch wohl genügend mütterliche oder väterliche
Neigungen haben, um den Babysitter für die beiden zu spielen.«
»Da stimme ich Ihnen absolut zu.«
Das überraschte mich. »Können Sie mit
Mrs. Hamid reden, oder wollen Sie, daß ich es tue?«
»Für diese Aufgabe sind Sie die
geeignetere Kandidatin.«
»Ich dachte, sie hätte es abgelehnt,
sich in irgendeiner Form mit mir zu
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