Ein wilder und einsamer Ort
mich um eine Haarnadelkurve, rumpelte
durch Schlaglöcher. Gleich darauf endete die Fahrbahn im Gestrüpp. Auf der
Hangseite war das Gelände steil und dicht bewachsen. Auf der Talseite fiel es
zu den Rückfronten der Häuser an der daruntergelegenen Straße ab. Ich wendete
und fuhr im Schleichtempo zurück, wobei ich nach Briefkästen Ausschau hielt.
Schließlich tauchte einer an der Hangseite auf. Der Pfahl hing schief, die
Klappe halb offen. Mit Mühe entzifferte ich den Namen Newton. Ich parkte den MG
neben dem Briefkasten und stieg aus.
Zwei breite, durchhängende Planken
überbrückten einen Graben, in dem ein kleines Rinnsal floß. Ich ging über die
eine und folgte einer ausgefahrenen Wagenspur durch ein Eukalyptuswäldchen. Die
silbriggrünen Blätter zitterten im herabdriftenden Nebel. Als ich aus dem
Wäldchen kam, sah ich schwaches Licht im Frontfenster eines kleinen, mit
braunen Holzschindeln verkleideten Bungalows, der sich an den Hang schmiegte.
Auf der Eingangsveranda stapelte sich Schrott — eine Uralt-Waschmaschine, ein
paar Holzkisten, ein Rasenmäher, drei Holzstühle. Zwei alte Pickups und ein
staubiger schwarzer Citroen standen auf dem Stück, das man mit einigem guten
Willen als Hof bezeichnen konnte. Ein kaputter Blumentopf lag am Fuß der
Eingangstreppe; Erde und eine verwelkte Geranie lagen verstreut auf dem
Lehmboden.
Ich fühlte mich in die Zeit
zurückversetzt, als die Bewohner von Brisbane Ziegen und Hühner hielten und dem
abschüssigen Boden ihren Lebensunterhalt abtrotzten. Das moderne San Francisco
schien weit weg, während ich hier durch den Nachmittagsnebel stapfte. Ich ließ
mich aber durch die nostalgische Rückbesinnung auf simplere Zeiten nicht zur
Unvorsichtigkeit verleiten, griff vielmehr ins Außenfach meiner Umhängetasche
und ließ meine Hand auf der 38er ruhen, die ich aus der Stahlbox im Kofferraum
genommen hatte, ehe ich hergefahren war. Jahrelang hatte ich mich geweigert,
sie mit mir herumzutragen, obwohl ich die Genehmigung besaß, aber nach einem
beinahe tödlichen Zwischenfall im Oktober letzten Jahres hatte ich mich — nach
der Devise: besser-sie-als-ich — über meine Hemmungen hinweggesetzt.
Ich näherte mich vorsichtig dem
Bungalow und hielt Ausschau nach eventuellen Wachhunden. Kein warnendes
Knurren, nichts kam herausgestürzt, um mich zu inspizieren. Drinnen bewegte
sich eine mittelgroße Gestalt am heruntergelassenen Rollo des erleuchteten
Fensters vorbei. Ein paar Sekunden später näherten sich Schritte der
Eingangstür.
Der Mann, der mir öffnete, hatte eine
spiegelnde eiförmige Glatze über einem lockigen Kranz von silbergrauem Haar.
Sein talgig-weicher Körper war in einen abgewetzten braunen Bademantel gehüllt.
Die Füße — in dünngescheuerten Socken — standen nach außen wie die einer
Ballerina. Seine braunen Augen brauchten eine ganze Weile, um mich zu fixieren,
als ob seine Gedanken weit weg und vollauf beschäftigt wären. Als er mich
freundlich begrüßte, lockerte ich den Griff um die 38er.
Ich wies mich aus und vergewisserte mich,
daß er tatsächlich Langley Newton war. Ich erwähnte Leila Schechtmann und Blanca
und fragte, ob ich hereinkommen dürfe. Newton sah mich unsicher an, als ob er
nicht oft Besuch bekäme und nicht recht wüßte, wie er mit mir umgehen sollte.
Er sei nicht angezogen, sagte er. Ob ich einen Moment warten könne.
Ich wartete und sah zu, wie die
Nebelfinger hügelabwärts in Richtung Bay krochen. Sie griffen gerade nach den
Bootshäfen an der westlichen Küste, als Newton in Jeans und einem blauen
Pullover wiederkam und mich hereinbat.
Das Wohnzimmer zog sich über die ganze
Länge des Bungalows und war genauso schäbig wie dessen Äußeres. Ein alter
Geschirrschrank aus dunklem Holz stand im Halbdunkel an der einen Schmalseite,
die Borde voller staubiger Gedenkteller und blumengemusterter Teetassen. Am
anderen Ende befand sich ein bauchiger Holzofen, und dazwischen stand ein
hochlehniges Sofa im viktorianischen Stil, mit verschossenem rotem Samt
bezogen. Auf dem kleinen Tisch davor lag ein halbvollendetes Puzzle. Die einzige
Lichtquelle war eine Stehlampe beim Fenster, und der Raum war sehr kalt.
Newton ging zum Ofen, knüllte ein wenig
Zeitungspapier von einem chaotischen Stapel auf dem Fußboden zusammen und
machte Feuer. Er wandte sich mir mit einem verlegenen Lächeln zu. »Der Nebel
ist so schnell gekommen, daß ich gar nicht gemerkt habe, wie kalt es geworden
ist. Ich benutze diesen Raum kaum,
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