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Ein wilder und einsamer Ort

Ein wilder und einsamer Ort

Titel: Ein wilder und einsamer Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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außer wenn ich Besuch habe. Es wird gleich
wärmer werden.«
    »So schlimm ist es gar nicht.« Ich sah
auf einen runden Tisch, den zwei Stühle mit Petit-Point-Stickerei auf den
Sitzpolstern flankierten. Die Tischplatte zierte ein Häkeldeckchen, auf dem
etwa ein Dutzend Hummel-Figürchen aufgebaut waren; dazwischen stand ziemlich
deplaziert ein mit Fingerabdrücken übersätes Glas.
    »Die hat meine Mutter gesammelt«, sagte
Newton und bedeutete mir, auf dem Sofa Platz zu nehmen. »Das hier war ihr Haus.
Sie ist im Herbst gestorben, und ich bin noch nicht dazu gekommen, ihre Sachen
durchzusortieren.« Er musterte die Figürchen mißbilligend, als nähme er sie
plötzlich deutlicher wahr. »Ich sollte wirklich mal was gegen diese Dinger
unternehmen. Ich finde sie ziemlich scheußlich.«
    »Ich mag sie auch nicht besonders, aber
sie sind vermutlich einiges wert. Sie könnten sie ja vielleicht verkaufen.«
    »Tatsächlich?« Er beäugte sie
abschätzend und schon wesentlich toleranter.
    Als ich mich auf das Sofa setzte, erhob
sich eine verräterische Staubwolke. Was in aller Welt, fragte ich mich, hatte
dieser Mann seit letztem Herbst getan, daß er es weder geschafft hatte, sauberzumachen,
noch sich von den Gegenständen zu befreien, die ihm ein Dorn im Auge waren?
Vielleicht sah er den Staub und den Dreck ja gar nicht und auch den Nippes erst
dann, wenn jemand seine Aufmerksamkeit darauf lenkte. Sein Bezug zu seiner
Umwelt schien nicht der intensivste; sein Blick war schon wieder entrückt, nahm
mich kaum zur Kenntnis.
    Ich fragte: »Sie leben hier, seit Ihre
Mutter gestorben ist?«
    Er nickte langsam, kehrte aus der
Ferne, in die ihn seine Gedanken entführt hatten, zurück. »Ich nehme an, Leila
hat Ihnen erzählt, daß ich es momentan nicht ganz leicht habe. Da der Bungalow
abbezahlt ist und die Steuern und Unterhaltskosten niedrig sind, bleibt mir
keine andere Wahl, als hier zu wohnen.«
    »Das klingt, als seien Sie nicht gerade
glücklich hier.«
    »Ach, es ist wohl ganz okay. Hier ist
man ungestört und hat seine Ruhe. Aber es hat seine Schattenseiten: keine
Müllabfuhr und der weite Weg zum Einkaufen.«
    »Blanca hat mir gesagt, Sie hätten auch
noch ein Apartmenthaus in der City geerbt. Warum wohnen Sie nicht dort?«
    »Ich bin nicht scharf drauf, Wand an
Wand mit anderen Leuten zu leben, und außerdem ist das Haus nicht in Schuß. Es
steht zum Verkauf, falls Sie jemanden wissen, der ein Mietshaus sucht.«
    Ich wußte niemanden, also fragte ich
mich in eine Richtung voran, die uns allmählich zu Dawud Hamid führen würde.
»Als ich mit Leila gesprochen habe, hat sie mir ziemlich ausführlich erzählt,
wie Speed das Glücksspiel verkauft hat. Kam das wirklich so plötzlich,
wie sie sagt?«
    »Ja.« Er holte eine Pappschachtel unter
dem Tisch hervor und zerstörte achtlos sein zeitraubendes Werk, indem er die
Puzzle-Teile hineinwischte. »Sie ist verbittert, und das ist ihr gutes Recht.
Ich hatte wenigstens gewisse Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Obwohl mir meine
Tätigkeit ein Stockwerk unter einem illegalen Glücksspielunternehmen bei
Vorstellungsgesprächen nicht gerade viele Pluspunkte eingetragen hat.«
    »Sie müssen doch von dem Wettbüro
gewußt haben.«
    »Nein, ich wußte nichts. Speed hielt
die beiden Unternehmen streng getrennt. Ich dachte, er betreibt dort oben so
eine Art Versandhandel.«
    Ich muß ziemlich skeptisch geguckt
haben, denn er setzte hinzu: »Schwer zu glauben, was? Die Staatsanwaltschaft
wollte es mir auch nicht abnehmen, aber die anderen Angestellten haben es bestätigt.«
    »Was haben Sie gemacht, nachdem Sie
entlassen worden waren?«
    »Nichts Großartiges.« Er verstaute die
Puzzle-Schachtel in einem kleinen Bücherregal und setzte sich dann auf einen
der Petit-Point-Stühle. »Speed hat das Restaurant neunundachtzig verkauft. Ich
habe ein paar Jahre für eine Firma gearbeitet, die Organisationspläne für die
Essenversorgung auf Militärbasen entwickelt, aber bei all den
Stützpunkt-Schließungen... Dann habe ich eine Zeitlang für ein
Franchise-Unternehmen gearbeitet, das sich gerade in Europa etablierte. Aber
mittlerweile bin ich auf Aushilfsjobs angewiesen. Hat Leila Sie geschickt, weil
sie etwas für mich zu tun hat?«
    »Ich bin hier, weil ich ein paar Leute
aufzuspüren versuche, mit denen Sie möglicherweise zu tun hatten, als Sie für
Mr. Schechtmann gearbeitet haben. Dawud Hamid — sagt Ihnen dieser Name etwas?«
    »Hamid.« Etwas Undefinierbares
flackerte in seinem

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