Ein wilder und einsamer Ort
entrückten Blick auf, aber er sagte nur: »Es gab da einen
Dave Hamid, der irgendwie zur Diplomatenszene gehörte. Ich glaube, er und Speed
waren engbefreundet.«
»Den meine ich. Er hat das Wettbüro
geleitet.«
Newton nickte versonnen. »Kann sein.
Als damals Anklage erhoben wurde, ging das Gerücht um, einer der Drahtzieher
sei davongekommen, weil er diplomatische Immunität genießt, aber sein Name
wurde nie genannt.«
»Sie kannten Hamid nicht näher?«
»So gut wie gar nicht. Ich gehörte
nicht zu Speeds Kreis; sie waren zu reich für mich — und zu korrupt.«
»Und was ist mit Chloe Love?«
»Chloe?« Er schien erschrocken. »Was
ist mit ihr?«
»Leila sagt, Hamid interessierte sich
für sie. Könnte es sein, daß die beiden noch Kontakt haben?«
»Das bezweifle ich sehr.« Newton sah
auf den Holzofen, der zu qualmen begonnen hatte, und ging hinüber, um sich
darum zu kümmern.
»Haben Sie eine Ahnung, wo Chloe jetzt
wohnen könnte?« fragte ich.
»Wo sie wohnt? Nein.« Er stocherte im
Ofen, legte dann den Schürhaken weg und rieb sich die Hände sauber. »Aber ich
weiß, daß sie bestimmt nichts mit Hamid oder sonst jemandem von diesen Leuten
zu tun hat.«
»Warum nicht?«
»Weil Chloe ein durch und durch netter
Mensch war. Sie war intelligent und fiel nicht auf Geld und Äußerlichkeiten
rein.« Er kehrte zu seinem Stuhl zurück. »Dauernd kamen irgendwelche Männer aus
dieser Diplomatenszene zu ihr in die Küche, um sie anzumachen, aber sie wollte
nichts von ihnen wissen. Sie war... eine beeindruckende Frau.«
»Das klingt, als hätten Sie sie
gemocht.«
»Habe ich auch. Sie war wohl die
gütigste und anständigste Person, der ich je begegnet bin. Sie hat sich beim
Staatsanwalt für mich eingesetzt, als der mir nicht glauben wollte, daß ich
nichts von dem Wettbüro wußte. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.«
»Und trotzdem haben Sie sie aus den
Augen verloren?«
Er zuckte die Achseln. »Als das
Restaurant zugemacht hatte, gingen wir alle getrennte Wege. In der Gastronomie
sah es finster aus, und wir mußten uns die Hacken nach einem Job ablaufen —
dank Speed.«
»Erzählen Sie mir ein bißchen mehr von
Speed.«
»Wie Leila zu sagen pflegt: Er ist ein
Schwein.«
»Leila ist selbst nicht gerade eine Heilige.«
»Sie ist ein verzogenes kleines Mädchen
und nicht besonders helle, aber das heißt noch lange nicht, daß sie es verdient
hat, auf diese Art sitzengelassen zu werden.«
»Und trotzdem läßt sie Speed freudig in
ihr Bett, sooft er hier ist.«
»Ach?« Das fragende Wörtchen kam eine
Spur zu schnell.
»Sie hat Ihnen doch von seinen Besuchen
erzählt, oder?«
»...Ja.«
»Wie kommt Speed in die Staaten zurück
— mit einem falschen Paß? Und warum kommt er hierher?«
Newton schwieg.
»Mr. Newton, ich stehe nicht im Auftrag
irgendeiner offiziellen Stelle. Es kümmert mich nicht, ob Speed Schechtmann
jemals wegen dieser Glücksspiel-Geschichte vor Gericht kommt. Aber ich muß ihn
finden.«
»Warum?«
Ich erklärte ihm, daß Schechtmann und
Hamid immer noch miteinander zu tun hatten. Ich erzählte ihm von dem Anschlag
des Diplobombers auf das azadische Konsulat und von Mavis’ und Habibas
Verschwinden. »Die Generalkonsulin wirkt auffällig wenig beunruhigt, daher
nehme ich an, daß sich die beiden an einem sicheren Ort befinden, aber ich
möchte mich vergewissern, daß sie nicht bei Hamid oder auf dem Weg zu ihm
sind.«
»Warum mischen Sie sich da ein? Sie
sind doch seine Familie.«
»Weil ich glaube, daß die Azadis nicht
nur ein Anschlagsziel unter mehreren sind; ich fürchte, der Bombenleger hat es
vor allem auf sie abgesehen. Mein Instinkt sagt mir, daß Dave Hamids
Verwicklung in diese Wettbüro-Geschichte und sein Verschwinden ursächlich mit
diesen Bombenanschlägen zu tun haben. Wenn das stimmt, können Sie sich wohl
vorstellen, in welcher Gefahr seine Frau und seine Tochter sind, falls sie sich
in seiner Nähe befinden.«
»Aber im Konsulat waren sie doch auch
in Gefahr.«
»Ja, und deshalb hatte ich gerade vor,
sie an einen sicheren Ort zu bringen, als sie plötzlich verschwanden.«
Newton nahm eine der Hummel-Figuren, um
sie hin und her zu drehen und eingehend zu studieren. »Was würden Sie tun, wenn
sich herausstellen würde, daß sie tatsächlich bei Hamid sind?«
»Sie aufspüren und zurückholen —
notfalls mit Gewalt.« Ich hatte noch gar nicht so weit vorausgedacht, aber
jetzt schien die Antwort völlig klar.
»Und an den sicheren Ort bringen,
Weitere Kostenlose Bücher