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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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an ihrem Platz hielten. Sie trug eine dunkle Sonnenbrille, etwas, das auch nur zu besitzen keiner Frau in der Stadt in den Sinn gekommen wäre, dazu Espadrilles, die mit Ripsband um ihre schmalen Fesseln gebunden waren.

    Der einzige andere Schmuck, den sie trug, war ein kleines Goldkreuz an einer zarten Kette. Unter dem Arm hatte sie eine kleine grüne Ledertasche.
    Sie trat rasch in die Mitte des Ladens, und keiner richtete das Wort an sie. Charlie hörte mit dem Schneiden der Koteletts für Helen Anderson auf, wischte die Klinge seines Messers mit einem sauberen Tuch ab. Es schimmerte im Licht, als er es leise auf den Tresen legte.
    Will, der auf dem Stuhl saß, den Jungen auf dem Schoß, durchbrach endlich die Stille und das Schweigen. Er stand auf, stellte den Jungen auf den Boden und begrüßte sie. »Morgen, Sylvan. Wie geht’s? Wie geht’s Boaty?«
    »Alles bestens«, sagte sie. »Uns geht’s gut. Alles wie immer.«
    Sie hatte eine hübsche, mädchenhafte Stimme. Als wäre sie fast noch ein Backfisch. Und sie klang nicht so, als käme sie aus der Nähe von Brownsburg, sondern hatte einen Akzent, als käme sie von weit her, wie eine Prinzessin oder Schauspielerin.
    Sie nahm ganz langsam die dunkle Brille ab und beugte dazu mit großer Anmut den Kopf. Dann schaute sie kurz zu Will auf, nickte ihm zu und wandte schließlich den Blick zu Charlie Beale. Fünf Sekunden. Zehn vielleicht, nicht mehr, aber ihm kam es wie eine Ewigkeit vor.
    Seine Hände lagen auf dem Tresen. Er verspürte den Drang, irgendetwas zu tun, den Metzgerblock abzuwischen, mit dem Münzgeld in seiner Tasche zu spielen, doch niemand rührte sich, und so tat er es auch nicht.
    »Kann ich Ihnen helfen, Ma’am? Gibt es …«
    »Nein. Nein danke. Ich habe gerade keinen Hunger.« Das sagte sie mit dem gespielt englischen Akzent, den Charlie bisher nur im Kino gehört hatte, aus dem Munde dieser
strahlend schönen Frauen mit dem glänzenden Haar und den tiefroten Lippen.
    Fünf Sekunden.
    »Im Moment jedenfalls. Habe ich keinen Hunger.«
    Mit diesen Worten wandte sie sich um und ging zur Tür. Die Glocke bimmelte, als sie hinausging. Draußen war es so hell, dass sie einen kurzen Moment lang ihre Augen mit der Hand beschatten musste. Schließlich setzte sie ihre Sonnenbrille wieder auf, stieg in einen schwarzen Cadillac ein, ließ den Motor an und fuhr davon.
    Er wollte ihr so gerne hinterherschauen. Man sah genau, wie er dieser Frau am liebsten mit den Augen gefolgt wäre, in denen kurz ein Licht aufblitzte, aber dann war es wieder erloschen, und er wandte sich der nächsten Kundin zu. Er zuckte zusammen, wie jemand, der aus einem tiefen Schlaf hochfährt und merkt, dass er viel zu spät dran ist. Seine Klinge fuhr in ein Kotelett, die Damen setzten ihre Plauderei fort und beobachteten, wie er sich bemühte, ihr nicht hinterherzustarren.
    »Diese Frau«, sagte Will, »hat einen Gang wie ein Bauer.«
    »Wie meinen Sie das?«, erkundigte sich Charlie.
    »Sie geht«, sagte Will und hielt kurz inne, »als hätte sie einen Ballen Heu auf der einen und ein Bündel Klee auf der anderen und müsste beim Gehen«, er hielt kurz inne, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, »all ihre Felder auf einmal bewirtschaften.« Alle Frauen lachten, obwohl man diesen Witz über alle flotten Mädchen in der Gegend machte, und auch Charlie lachte. Dabei fand er den Witz vulgär, denn ihm hätten schlicht und ergreifend die Worte gefehlt, um die Anmut und Eleganz zu umschreiben, mit der dieses Mädchen seine Hüften bewegte.
    Als wäre der Film zu Ende, geriet alles wieder in Bewegung,
die Frauen schnatterten weiter, als hätte die junge Frau den Laden nie betreten, Charlie machte die Koteletts fertig und wickelte sie sorgfältig in ein Stück sauberes, weißes Wachspapier ein, das er von der Rolle über seinem Kopf abriss. Seine Hände zitterten, und sein ganzer Körper stand unter der Kleidung wie unter Strom. Will hatte wieder Platz genommen und spielte mit dem Jungen Abnehmen, der Stuhl unter ihnen knarzte, während Vater und Sohn den Faden in immer komplizierteren Mustern über Sams ausgestreckten Händen verschlangen.
    »Arme Sylvan«, sagte Eleanor Cooke.
    »Armer Boaty Glass, meinen Sie wohl«, sagte Mary Page. »Der hat gekriegt, wofür er bezahlt hat.«
    »Wie man sich bettet, so liegt man«, sagte Eleanor. Damit war das Gespräch beendet, und alle Damen nickten zustimmend.
    Doch Charlie hatte ihren Namen gehört. Sylvan Glass. Sie ging in seinem Herzen

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