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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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und seinem Verstand ab wie eine Rakete am Unabhängigkeitstag. Ein Zischen. Ein bunter Funkenregen.
    Etwas, das endlich und wirklich und auf geheimnisvolle Weise wundervoll war.

3. KAPITEL

    S chimmern und Stille, alles auf einmal. Charlie ist auf dem Land unterwegs, er summt ein Lied, aber im Vergleich zur Landschaft ist er reglos und stumm wie ein Fels. Im Vergleich zu den Tieren, die ihn umgeben, ohne dass er sie sehen kann, die surren und summen, die äsen und brüten, ist er eine Statue.
    Die tausend und abertausend Gräser, die in der Hitze des Spätsommers längst vertrocknet sind, knistern wie die brüchigen Seiten abertausender uralter Bücher, die von unsichtbaren Gelehrten umgeblättert werden. Jeder Grashalm, jedes Blatt und jeder Stein spricht jetzt im Spätsommer bei Einbruch der Dunkelheit von Verlust und Beständigkeit, und die Vögel beschließen, sich vor ihrem langen Flug in den Süden noch ein oder zwei Nächte auszuruhen. Die Landschaft, in der er spazieren geht, ist eine endlose Kaskade aus Verlust und Tod und Wiedererwachen, und er spürt die gewaltige Stille der Toten und den ewigen Pulsschlag der Lebenden unter seinen Füßen.
    Er befindet sich im Tal der Blue Ridge Mountains in Virginia, am Ufer des Maury River. Das Tal hält ihn umschlossen, so wie sich die Hand einer Mutter behutsam um ein rohes Ei schließt.
    Er hat seine Steppdecken auf dem Boden ausgebreitet, hat
sein Sandwich gegessen, den Blechteller im Fluss abgewaschen, und das letzte Licht des Tages schwebt wie ein dünner Schleier zwischen ihm und der moosigen Schwärze der Nacht. Er summt das Lied, das er vor zwei Tagen gehört hat. Zwei alte Männer haben es auf der Veranda vor dem Lebensmittelladen zum Besten gegeben, zwei Brüder im Arbeitsoverall mit Mist an den Stiefeln, weißhaarig und bärtig, ein Banjo und eine Mandoline, das gleiche Gesicht, nur mit ein paar Jahren Altersunterschied. Es war ein Lied, das sie schon seit Jahren sangen und spielten, und ihre Stimmen flossen zusammen wie das Wasser um ihn herum, bis es ein einziger Fluss aus Klängen war. Jetzt fallen Charlie die Worte wieder ein, der Klang ihrer brüchigen Stimmen, erfüllt von einem Glauben an das, wovon sie wussten, dass es die Wahrheit ist.
    Life is like a mountain railway
With an engineer so brave
You must make this run successful
From the cradle
To the grave
Watch the curves, the fills, the tunnels
Never falter, never fail
Keep your hands upon the throttle
And your eyes upon the rail.
    Es war Musik. Es war das Evangelium. Es war die tiefste Überzeugung dieser alten Männer, und auch Charlie, der ihnen lauschte, glaubte daran, nicht so sehr an das Evangelium, aber daran, dass das alles für immer existieren würde  – die Musik, die Brüder, das Tal selbst, und das war mehr, als ein Mann je in sich aufnehmen konnte.
    Und woran glaubt er eigentlich, fragt er sich jetzt, während
er vor sich hin summt und an die Worte des Liedes denkt, das er sich zu ihrer Belustigung drei Mal von ihnen vorsingen ließ, bis er den Text notiert hatte. In dieser Minute glaubt er an dieses Tal, an dieses Land, auf dem er steht, an dieses Wasser, das an ihm vorbei und durch sein Leben fließt, während der Nachmittag langsam in den Abend übergeht, an diese Schwärze, in der nichts ist als Sicherheit und Einsamkeit. Er glaubt an den Frieden, der darin liegt, an die Ewigkeit.
    Blessed Savior, that will guide us
’Til we reach that blissful shore.
    Das hier, dieses Tal im schönen Virginia, sind die glücklichen Gestade, von denen in dem Lied die Rede ist. Nach mehr braucht man nicht zu streben. Und während er summt, weiß er. Er weiß, woran er glaubt. Er glaubt an die Kraft der Muskeln, an die Freuden des Körpers, an die Güte des Herzens. Er glaubt an diese Güte, und das ist etwas Neues, ein Geschenk des Flusses und des Landes und des blauen Lichts, das allmählich schwarz wird, an ihn, ein Geschenk der Tinte des Himmels, mit Sternen betupft. Das ist es, was ihm das Tal und seine Gewässer ins Ohr flüstern, an diesem Abend, der langsam zur Nacht wird. In diesem Moment glaubt er, und er wird immer daran glauben, dass die Menschen gut sind und dass auch er in ihrer Mitte gut sein kann.
    Where the angels wait to join us
In God’s grace forevermore.
    Jetzt weiß er, dass die Engel aus dem Lied zu ihm gekommen sind, dass sie in ihm sind. Was für eine Überraschung, nach all der Zeit. So viele lebendige Dinge, Schlangen und Vögel
und Fische und Menschen, und

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