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Ein Winter mit Baudelaire

Ein Winter mit Baudelaire

Titel: Ein Winter mit Baudelaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Cobert
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Lippen da, wie versteinert, dann schleudert sie den Brief auf den Tisch.
    »Wenn du versuchst, mich wegen Kindesentzug anzuklagen, lege ich dir böswilliges Verlassen zur Last …«
    »Obwohl wir da schon von Tisch und Bett getrennt waren? Das dürfte schwierig werden …«
    »Und die Unterhaltszahlungen?«
    »Na ja, ein bisschen obdachlos bin ich schon …«
    Die beiden durchbohren sich mit Blicken.
    »Papa hat einen sehr guten Anwalt …«
    »Nicht nach dem letzten Brief, den du mir geschickt hast …«
    »Welchem Brief?«
    »Wie heißt es da noch? … ›Du wirst mich nicht wiederfinden und auch deine Tochter nicht wiedersehen, solange du mir nicht den Unterhalt zahlst, den du mir schuldest …‹ et cetera pp.«
    »Ja und? Was gibt’s dazu zu sagen?«
    »Okay, das zum Thema Kindesentzug … Aber da war doch noch was, von wegen böswilliges Verlassen … Ach ja, genau: ›Ich dachte, wenn ich dich endlich vor die Tür setze, würde dich das wachrütteln‹ … So was in der Art …«
    Philippe trinkt seinen letzten Schluck Kaffee und legt genug Geld für beide auf den Tisch.
    »Ich lade dich ein, das tue ich gern …«
    Sandrine hält seinem Blick eine Weile stand, dann schaut sie weg und lässt den ihren ziellos durch das Café schweifen.
    »Okay«, lenkt sie schließlich widerstrebend ein. »Wo kann ich dich erreichen?«
    »Ich rufe dich an. Schreib mir deine Nummern auf«, sagt er und zeigt auf den Anwaltsbrief und den Stift. »Festnetz und Handy.«
    Sandrine gehorcht und schiebt ihm alles schroff über den Tisch.
    »Ich freue mich sehr, du nicht?«
    Sie schlägt den Blick nieder. Philippe schaut durch die Scheibe. Er lächelt.
    »Ich wusste, dass sie sich gut mit ihm verstehen wür de …«
    Von anderen fröhlichen Kindern umringt, wirft Claire Baudelaire einen Ball zu. Unter großem Beifall schnappt er ihn in der Luft, aber als er zu der Gruppe zurückläuft, beginnt er zu hinken. Er lässt den Ball los. Jedes Mal, wenn er versucht, mit der Pfote aufzutreten, jault er vor Schmerz.
    »Oh Gott!«
    Philippe springt auf, rennt aus dem Café zu Baudelaire, nimmt seine Pfote, tastet sie ab.
    »Was ist passiert?«, fragt er die Kinder unruhig.
    Keine Antwort. Baudelaire sieht Philippe verstört und ein bisschen benommen an, leckt ihm die Hand.
    »Das wird schon wieder«, flüstert Philippe, während er ihn streichelt. »Das wird schon wieder …«
    Langsam zieht er Baudelaires Pfote in Richtung Boden, aber kurz bevor sie den Asphalt berührt, zuckt der Hund zurück. Philippe streichelt ihm über den Kopf, geht ein paar Meter von ihm weg und winkt ihn zu sich. Baudelaire senkt langsam die Pfote, er zögert, bis er schließlich vorsichtig auftritt und ganz normal auf Philippe zuläuft. Er wedelt mit dem Schwanz und bellt, als wäre nichts gewesen. Claire läuft zu ihrem Vater.
    »Wir haben gespielt und …« Sie stockt.
    »Ich weiß, meine kleine Prinzessin, ich weiß …«
    Baudelaire tapst wieder zwischen den Kindern umher.

Weitere Untersuchungen
    In der Kabine von Le Fleuron liegt Baudelaire wieder brav auf der Seite, die rechte Vorder- und Hinterpfote hochgezogen, während ihn der junge Tierarzt aufmerksam abtastet. Philippe hockt hinter seinem Gefährten, hält ihm mit beiden Händen den Kopf und streichelt ihn sachte. Édith de Rotalier und Franck, der Dalida im Arm hält, lehnen am Türrahmen. Oben auf dem Etagenbett kauert im Schneidersitz Serge. Alle verfolgen gebannt die langsamen, präzisen Bewegungen des Arztes. Das Schweigen wird nur durch Baudelaires ein- und aussetzendes Hecheln gebrochen. Der Tierarzt beendet seine Untersuchung, verschränkt die Arme vor der Brust, seufzt.
    »Und?«, fragt Philippe.
    Baudelaire setzt sich dicht neben ihn, Philippe legt ihm einen Arm um den Hals.
    »Im Vergleich zum letzten Mal ist sein Zustand unverändert, die Lymphknoten sind weder weiter angeschwollen noch abgeschwollen.«
    »Das heißt?«, will Édith de Rotalier wissen.
    »Ich kann nichts Eindeutiges sagen, ich müsste eingehendere Untersuchungen durchführen.«
    »Aber was denken Sie?«, beharrt Philippe.
    »Das, was nach Ihren Schilderungen vor ein paar Tagen passiert ist, stimmt mich nicht gerade optimistisch.«
    In der Kabine werden Blicke getauscht.
    »Aber wie ich schon sagte«, fügt er rasch hinzu, »kann ich keine definitive Diagnose stellen. Alles ist denkbar. Ihr Hund hat vielleicht beim Auffangen des Balls nur eine falsche Bewegung gemacht, die sein vorübergehendes Humpeln erklärt. Nur könnte es

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