Ein Wirbelwind namens Millie (German Edition)
die Schulter. Das war ein akzeptabler Kompromiss – selbst wenn er keine Kompromisse mochte, würde er sie doch nicht davon abhalten. „Ja?“
„Arthur ist nicht nur mein Sohn. Er ist auch dein Sohn.“
Kapitel 16
„Braver Junge.“ Phineas Stahl kratzte Nikodemus hinter den Ohren, dann klopfte er dem braunen Wallach auf die Kruppe. Das Arbeitspferd verstand sofort und lief von der Futterkrippe in Richtung Feld. Die beiden Milchkühe, Hopes Maultier und die Stute hatte Phineas bereits von dem Stoppelfeld geholt. Heute wollten sie die Pferde vor den Pflug spannen und die Stoppeln unterpflügen, um den Boden damit für die Aussaat im Frühjahr vorzubereiten.
Grinsend schaute Phineas zu seinem Boss. „Jakob, deine Behandlung hat geholfen. Nikodemus lahmt überhaupt nicht mehr.“
„Das liegt bestimmt nicht an meiner Behandlung. Ich habe ihm gedroht, dass ich Doktor Wicky holen würde, wenn es nicht besser wird.“
Die beiden Männer gingen nebeneinander her zum Feld. „Ich habe gehört, dass er jetzt auch Tiere behandelt, aber ich würde ihn trotzdem auf keinen Fall rufen“, schnaubte Phineas verächtlich.
„Ich auch nicht. Er kann weder Mensch noch Tier richtig behandeln. Die Stadtversammlung sucht schon nach einem Nachfolger.“
„Da wir schon von Nachfolgern sprechen. Deine Frau scheint ja von den neuen Ladenbesitzern sehr beeindruckt zu sein.“
Jakob musste lachen – ein Wunder, wenn man bedenkt, wie tief Jakob um seine Frau und seinen Sohn getrauert hatte, bis Hope in sein Leben geweht wurde und es völlig auf den Kopf gestellt hatte. „Erinnerst du dich noch an den Zustand des Ladens? Jede Frau, die bei diesem Anblick nicht nur in Tränen ausbricht und wieder flieht, verdient unsere Anerkennung. Außerdem kennst du doch Hope. Sie sieht in jedem nur das Gute. Erst gestern Abend hat meine Schwester gesagt, dass Hope selbst in einem stummen Leprakranken noch einen idealen Gast sehen würde.“
Phineas blieb wie angewurzelt stehen. „Das hat Annie gesagt?“, flüsterte er.
Mit einem breiten Lächeln auf seinem sonnengebräunten Gesicht blieb Jakob neben ihm stehen. „Ja. Es gibt in der letzten Zeit immer öfter Momente, in denen die alte Annie wieder zum Vorschein kommt.“
Die „alte“ Annie – das junge Mädchen, das Phineas in der Schule so angehimmelt hatte, als sie zusammen aufwuchsen. Lebhaft, hilfsbereit und voller Mitgefühl. Er konnte ihr nichts bieten – kein Land, kein Geld – deshalb war Phineas in den Süden nach Texas gezogen, nachdem ihr Vater sie verheiratet hatte. Seit dieser Zeit arbeitete er für ihren Bruder Jakob. Jahrelang hatte Annie unbeschreibliche Misshandlungen durch ihren Ehemann ertragen müssen, bis Jakob eines Tages unangekündigt bei ihr auftauchte und die schreckliche Wahrheit ans Licht kam. Er hatte sie mit sich nach Hause genommen, und Phineas und Jakob hatten sie gemeinsam beschützt.
Mittlerweile war Konrad, ihr Mann, gestorben, und langsam erholte sich Annie von den Jahren voller Angst und Schrecken. Zufrieden grinsend nahm Phineas seinen Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Seit deine Schwester hier wohnt, weiß sie, dass sie sicher ist und ihr hier nichts passieren kann, aber in ihrem Herzen und in ihrem Geist war sie immer noch gefesselt. Doch jetzt liegen diese Fesseln zerrissen vor ihren Füßen. Diese Worte zeigen ganz deutlich, dass die Wunden in ihrem Herzen auch langsam heilen.“
Jakob starrte in die Ferne. Sein Gesicht verriet nichts über seine Gedanken. „Ja. Das ist wahr.“
Jetzt. Jetzt war die Zeit gekommen. „Ich möchte sie heiraten.“ Da, er hatte es gesagt.
Fragend drehte sich Jakob zu ihm um. „Und Johnny?“
Der Gedanke an Annies neugeborenen Sohn erfüllte ihn mit Freude. „In meinem Herzen ist Johnny schon längst mein Sohn, und das weißt du so gut wie ich. Ich bin die einzige Person weit und breit, die sich für den Kleinen noch mehr zum Narren macht, als du es tust. Ich werde den Jungen adoptieren, dann trägt er meinen Namen.“
Doch Jakob war noch nicht überzeugt. „Selbst mit diesem Versprechen, Johnny als deinen eigenen Sohn anzunehmen, wird Annie trotzdem so schnell nicht wieder heiraten. Ihre Ängste sind noch zu groß. Du hast eben selbst gesagt, dass die Wunden in ihrem Herzen erst langsam heilen. Es wird noch dauern – lange dauern, bis sie wieder Vertrauen fasst.“
In die Liebe für Annie in seinem Herzen mischte sich noch ein seltsamer Schmerz, den er nicht verstand. „Ich
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