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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Als ich den Kopf in den Durchgang steckte, wurde der Geruch nach Fäkalien und Waschmittel so stark, dass ich würgen musste. Der Raum dahinter war kaum größer als eine Besenkammer, und sein Boden bestand zum größten Teil aus einer offenen Falltür. Ich hielt mir die Nase zu, atmete durch den Mund und spähte hindurch. Unten erkannte ich einen von Bazalgettes berühmten Abwasserkanälen, mit dem typischen eiförmigen Querschnitt und stabilem Mauerwerk im Englischen Verband. An der breitesten Stelle war er einen Meter breit und zu einem Viertel mit erstaunlich wässrig aussehendem Wasser gefüllt, wenn man in Betracht zog, wie es roch.
    »Ich hoffe, die haben ihr Gemüse nicht da durch transportiert«, sagte ich.
    »Eindeutiger Verstoß gegen die Hygienevorschriften«, sagte Kumar. »Da gehen wir jedenfalls nicht rein. Für Abwasserkanäle bin ich nicht qualifiziert.«
    »Ich dachte, Sie treiben sich in allen möglichen Höhlen in der Wildnis herum. Höhlen, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat.«
    »Keine davon war so gefährlich wie das Londoner Kanalsystem. Oder so stinkig.«
    Ich sah mir den Deckel der Falltür genau an. Er wirkte gusseisern und spätviktorianisch. Außerdem hatte er auf der Unterseite den gleichen Keramiküberzug wie die Geheimtür.
    »Die ist normalerweise geschlossen.« Ich bewegte den Deckel ein paarmal vor und zurück, um zu demonstrieren, dass er nicht in der offenen Position eingerostet war oder so. »Jemand hat sie offen gelassen, vielleicht weil er in Eile war. Ich glaube, wir sollten nachschauen.«
    »Wissen Sie eigentlich, dass diverse Gerüchte über Sie im Umlauf sind?«, fragte Kumar.
    »Und, sind welche davon wahr?«
    »Weit untertrieben, würde ich sagen.«
    Ich würde ihm nicht den Gefallen tun, zu fragen, was das für Gerüchte waren. »Wir steigen rein und schauen uns kurz um, und wenn wir nichts sehen, kommen wir wieder zurück.«
    »Nach Rosen duftend«, sagte Kumar.
    Mein Dad behauptet, die Russen hätten ein Sprichwort: Man kann sich auch ans Hängen gewöhnen, wenn man nur lange genug hängt . Das gilt vielleicht fürs Hängen, aber ganz sicher nicht für den Gestank des Londoner Kanalsystems, für den es wahrlich keine Worte gibt. Sagen wir nur, dass es die Art Gestank ist, die dir nach Hause folgt, sich vor deiner Tür breit macht und versucht, sich in deine Voicemail zu hacken. Am Ende stopften wir uns Papiertaschentücher in die Nase, waren uns aber einig, dass, falls wir noch mal hier runtermussten, drastischere Maßnahmen notwendig sein würden – zum Beispiel Amputation.
    Da es meine Idee gewesen war, ging ich zuerst. Das, nennen wir es mal Wasser, war schneidend kalt und knietief,so dass es über den Rand meiner Stiefel schwappte. Später sagte mir ein Kanalarbeiter, dass nur ein kompletter Idiot ohne hüfthohe Watstiefel in die Kanäle steigt. Dazu möchte ich nur anmerken, dass in dieser Nacht noch eine Menge anderer kompletter Idioten unterwegs war.
    Die Decke war gerade hoch genug, dass ich aufrecht gehen konnte, allerdings streifte mein Helm gelegentlich das Gewölbe. Ich stemmte mich stromaufwärts gegen die überraschend starke Strömung, und Kumar stapfte hinter mir her.
    »Oh Gott«, sagte er.
    »Ja, ich weiß. Eiskalt.«
    »Liegt daran, dass es Schmelzwasser ist«, sagte Kumar. »Deshalb tragen wir die Neoprenanzüge.«
    Da hörte ich weiter vorn ein Platschen und versuchte mein Grubenlicht darauf zu richten. »Da vorn ist jemand.«
    »Licht aus«, sagte Kumar, und wir schalteten gleichzeitig unsere Lampen aus.
    Es wurde stockfinster. Überdeutlich spürte ich das träge Strömen des Dreckwassers gegen meine Knie, hörte die unregelmäßigen Strömungsgeräusche und einen wirklich ekelerregenden saugenden Laut irgendwo hinter uns.
    »Ich glaube, die haben uns bemerkt«, flüsterte ich.
    »Oder es war niemand da«, flüsterte Kumar.
    Wir warteten, bis die Kälte uns in die Beine kroch. Ich leide nicht unter Klaustrophobie. Meine Vorstellungskraft lässt mich nur nie vergessen, wie viel all das Zeug über meinem Kopf wiegt. Und wenn ich anfange, über meine Atmung nachzudenken, kommt es mir vor, als schafft sie das irgendwie nicht richtig mit dem Sauerstoff.
    Da platschte es wieder irgendwo vor uns. Die Entfernungwar schwer zu schätzen, aber es schienen mir weniger als zehn Meter zu sein. Ich lief vorwärts, so schnell ich gegen die Strömung konnte, und versuchte währenddessen meine Grubenlampe wieder anzuschalten. Als sie aufflammte, wurde ich mit

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