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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Einkaufsweg war. Worauf mein dritter Gedanke folgte, der aus der Frage bestand, woher die hypothetischen Gemüseesser wohl ihre Proteine bekamen. Pilze, Ratten, ab und zu ein Pendler? Kannibalische Eisenbahnbauer – vielen Dank auch, Inspector Nightingale.
    »Wann wurde das hier wohl gebaut?«, fragte Kumar.
    »Zur selben Zeit wie der Tunnel. Sehen Sie, wie die Backsteine übereinander angeordnet sind? Das nennt man Englischen Verband. Genau wie bei den Mauern des U-Bahn-Tunnels, und es sind die gleichen Ziegel. Wahrscheinlich ganz in der Nähe gebrannt.«
    »Lernt man solche Sachen in Hendon?«
    »Ich hab schon vor Hendon was gelernt«, sagte ich. »Ich hatte mal daran gedacht, Architektur zu studieren.«
    »Aber dann konnten Sie der Verlockung des ruhmreichen Polizistendaseins nicht widerstehen«, sagte Kumar. »Ganz zu schweigen von den großartigen Verdienstaussichten und dem Respekt Ihrer Mitmenschen.«
    »Das mit der Architektur hat nicht geklappt«, sagte ich.
    »Warum nicht?«
    »Es stellte sich heraus, dass ich nicht zeichnen kann.«
    »Oh«, sagte Kumar. »Ich wusste nicht, dass man das immer noch können muss. Mit den ganzen Computerprogrammen und so.«
    »Doch, muss man. Ist das da vorn eine Kurve?«
    Vor uns bog der Gang nach links ab. Kumar sah auf seine Karte. »Sieht aus, als würden wir der Biegung des Bahntunnels folgen. Ich glaube, Sie haben recht. Der Gang muss von denselben Leuten gebaut worden sein wie der Tunnel.«
    Es war nur logisch. Wenn man schon einen neun Meter breiten Graben mitten durch London schaufelte, dann konnte man auch gleich noch einen Nebentunnel bauen. Den konnte man als alles Mögliche verwenden, zum Beispiel als Fluchtweg oder Versorgungszugang. Aber warum hatte man dann nicht einfach von vornherein den offenen Graben breiter gebaut? Oder wenn man den Gang überdacht haben wollte, warum baute man ihn nicht als Kolonnade?
    »Wir hätten uns die Originalpläne anschauen sollen«, sagte ich.
    »Hab ich«, erwiderte Kumar. »Da waren ganz sicher keine geheimen Gänge eingezeichnet.«
    Als wir die Kurve erreicht hatten, hielten wir an. Ich blitzte mit meiner Taschenlampe zurück zur standhaft Wache haltenden Lesley und kontaktierte sie via Airwave.
    »Bin noch da«, antwortete sie, und ich sah ihre Taschenlampe aufblitzen.
    Ich sagte ihr, dass wir vielleicht bald außer Funkreichweite sein würden. Airwaves funktionieren zwar auch unter der Erde, aber nur in Reichweite eines Relais, und dieTunnel waren gute anderthalb Jahrhunderte vor der Erfindung des Digitalfunks erbaut worden.
    Lesley berichtete uns, dass Nightingale jenseits von Bayswater Station wieder herausgekommen war, was die Wahrscheinlichkeit steigen ließ, dass James Gallagher durch diesen Gang nach Baker Street gelangt sein könnte. Aber wir sollten trotzdem nach Anzeichen Ausschau halten, ob er sich in unserer Sektion des Gangs aufgehalten hatte.
    »Danke«, sagte ich. »Darauf wär ich niemals von allein gekommen.«
    »Seid vorsichtig«, sagte sie und schaltete aus.
    Ich begann mich gerade zu fragen, ob wir jetzt bis nach Notting Hill würden wandern müssen, da fand Kumar die Treppe. Es war eine Wendeltreppe, die sich um eine Achse aus Schmiedeeisen schlängelte, eindeutig spätviktorianisch – wer sonst hätte so viel Mühe auf etwas verschwendet, was kein Mensch je zu sehen bekommen würde? Es war unmöglich zu sagen, wie tief sie hinunterführte, allerdings schlug mir von unten ein Geruch nach Exkrementen und Seifenlauge entgegen.
    »Die Kanalisation«, sagte Kumar. »Unverkennbar.«
    Hinter der Treppennische führte der Gang in gleichmäßiger Linkskurve weiter.
    »Die Treppe runter oder weiter geradeaus?«, fragte ich.
    »Wir könnten uns trennen«, sagte Kumar enthusiastischer, als ich angebracht fand.
    Jenseits der Treppe kam mir der Gangboden im Licht meiner Grubenlampe heller vor als auf der hinter uns liegenden Strecke. Ich ging in die Hocke und sah ihn mir näher an. Tatsächlich war er staubiger und wirkte weniger begangen. Zugegeben, groß war der Unterschied nicht, aberer war unser einziger Anhaltspunkt, und von getrennten Wegen hielt ich überhaupt nichts.
    Ich erklärte Kumar meinen Gedankengang, und er knickte einen Leuchtstab, um die Stelle zu markieren, und machte eine Notiz auf seiner Karte.
    »Dann runter«, sagte er.
    Langsam stiegen wir nach unten und zählten dabei die Umdrehungen. Nach dreien stießen wir auf einen Treppenabsatz mit einem Durchgang. Die Treppe führte weiter abwärts.

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