Ein zauberhafter Liebesschwindel - The Importance of being Married / 01 The Wild Trilogy
ihren schönsten Erinnerungen, wie sie sich mit dem Rücken an seine Brust lehnte, während er behutsam mit der Bürste über ihren Kopf strich. Sie hoffe, ich fände eines Tages auch jemanden, der mir das Haar bürste, sagte sie schließlich träumerisch. Keine Ahnung, wieso eine kleine Träne in meinem Auge brannte, was wirklich ganz und gar lächerlich war. Aber als ich sie abwischte, trat sofort eine weitere an ihre Stelle. Natürlich ermahnte ich mich, mit diesem Unsinn aufzuhören und mich nicht lächerlich zu machen. In der Realität, meine ich. Als es tatsächlich passierte. Im Traum hatte ich jedoch keine Zeit, mir die Tränen abzuwischen oder mich zur Ordnung zu rufen, denn auf einmal ging die Tür auf, und Mr Taylor kam herein, zeigte mit dem Finger auf mich und sah Grace an. »Das ist sie. Sie ist diejenige, die Sie angelogen hat.« Ich sprang aus dem Bett, und Grace sah mich mit aufgerissenen Augen an, brach dann in Tränen aus, schüttelte den Kopf und flüsterte, ich hätte sie im Stich gelassen, ich sei eine riesige Enttäuschung. Und auf einmal war sie nicht mehr Grace, sondern meine Großmutter, und sie flüsterte auch nicht mehr, sondern schrie mich an, brüllte, dass ich nur Platz auf der Welt verschwände, dass sie wünschte, mir nie begegnet zu sein. Und dass es umso besser sei, wenn ich früher als später lernen würde, für mich selbst zu sorgen, weil sie es nämlich satthätte, sich um mich zu kümmern.
Das war der Augenblick, als ich aufwachte und feststellte, dass ich in meinem völlig durchgeschwitzten Bettzeug saß und die Wand anstierte. Ich machte ein paar tiefe Atemzüge, holte mir ein Glas Wasser, legte mich wieder hin und dachte nach. Ich wollte nicht wieder einschlafen, wollte nicht in den Albtraum abtauchen, der garantiert bereits auf mich wartete. Genau mit diesem Gedanken dämmerte es mir – der Albtraum spielte sich nicht in meinem Kopf ab, sondern er war Realität. Und ich hatte ihn selbst heraufbeschworen. Vier Millionen Pfund waren mehr, als ich mir jemals zu besitzen erträumt hätte. Es war unglaublich, so verlockend. Aber ich konnte keine Ansprüche darauf erheben. Was immer ich auch tat, es wäre ein Fehler.
Ich sehnte mich danach, die Wahrheit zu sagen. Das wäre das Richtige – den Fehler zuzugeben, Mr Taylor zu beichten, dass ich nicht diejenige war, für die Grace mich gehalten hatte. Aber was, wenn dies bedeuten würde, dass ich das Erbe dann nicht antreten konnte? Graces wunderschönes Haus würde dem Staat oder irgendwelchen Immobilienhaien in die Hände fallen, und ich wanderte wahrscheinlich wegen Betrugs hinter Gitter.
Die Alternative war … tja, wie ich es auch drehte und wendete: Es gab keine Alternative. Zumindest nicht, solange ich nicht mit einem Dokument nachweisen konnte, dass ich mit Anthony Milton verheiratet war. Hätte ich Grace doch nur nicht erzählt, dass wir geheiratet hätten. Hätte ich nur … Ich runzelte die Stirn. Hätte ich ihr nicht erzählt, dass ich verheiratet war, hätte sie mir vielleicht nicht einmal das Haus vermacht. Hatte sie nicht eine Familie in ihrem Haus gewollt, anstelle von Helen und mir, zwei Singles, die nur abhingen und DVDs anschauten?
Ich fand keine Ruhe mehr. Also hievte ich mich, als der Montag anbrach, mit dicken Tränensäcken und hängenden Schultern mühsam aus dem Bett. Ich schaffte es kaum, mich von Helen zu verabschieden, und schlurfte aus der Wohnung zur U-Bahn-Station. Alle paar Sekunden zuckte ich zusammen, wenn die Erinnerungen an Gelegenheiten über mich hereinbrachen, die sich geboten hatten, meinen Fehler richtigzustellen, Grace die Wahrheit zu sagen und so diesen Albtraum zu verhindern. All die Gelegenheiten, die ich zu ergreifen versäumt hatte, tauchten vor meinem inneren Auge noch einmal auf. Vielleicht spendet mir die Arbeit ja ein wenig Trost, dachte ich. Doch dann verdrehte ich die Augen über meine Dummheit. Arbeit war gleichbedeutend mit Anthony Milton – und damit eine ständige Erinnerung an mein dummes, dummes, kleines Märchen. Damit hatte sich das mit dem Trost auch erledigt.
Milton Advertising befindet sich in Clerkenwell, einem Stadtteil Londons, der sich auf wundersame Weise von einer reichlich tristen Gegend in der Nähe des Finanzdistrikts zu einem nicht mehr ganz so tristen Viertel in der Nähe von Hoxton gemausert hat, dem Zentrum der Neo-CoolenSzene-London. Aus diesem Grund begegnet man dort vorwiegend Finanztypen und Medienleuten, aber während sie früher noch in
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