Ein Zirkus für die Sterne
Vorstellung bis zum Ende genießen könnte, das war aber nicht der Fall. Bevor noch die Hälfte der Zuschauer aus dem Spielzelt war, durch ungeduldige Platzanweiser eilig aus dem Eingang getrieben, drängten schon Elefanten und Zeltarbeiter durch den Künstlereingang.
Ich wurde mit dem Rest nach draußen geschoben und sah zu meinem Staunen, daß das Tierzelt mit der Menagerie, das Küchenzelt, die Sideshow und das Garderobenzelt schon abgebrochen waren. Als ich endlich wieder im Spielzelt war, waren die Zuschauer gegangen und dreihundert Zeltarbeiter, Elektriker, Monteure und Handwerker dabei, das Innere auseinanderzunehmen. Die faltbaren Rampen, die als Sitze dienten, wurden hydraulisch zusammengelegt und in wartende Wagen verpackt, während die Bühnen und die Manege zerlegt und von weiteren Wagen vereinnahmt wurden. Lichter gingen aus, als die Elektriker die schweren Lichtkästen entfernten, und gleichzeitig wurden die Elefanten dirigiert, um die Querstangen, die das Zeltdach neben den Masten – den Polen – trugen, aus der Verankerung zu ziehen. Bevor sie damit fertig waren, wurde es dunkel im Zelt, und ich begab mich schleunigst hinaus, weil ich kein Verlangen danach hatte, niedergetrampelt zu werden.
Ich stand seitlich neben dem ehemaligen Haupteingang, nachdem der letzte Bulle und der letzte Wagen herausgekommen waren, und ich hörte den Zeltboß rufen: »Laßt es runter!« Eine Druckwelle, voll mit allen Düften des Zirkus, schoß unter dem Zelt hervor und trug die sechs Männer vor sich her, die vor der zusammenstürzenden Plane davonliefen. Noch bevor das große Meer aus Segeltuch auf dem Boden lag, sprangen die Arbeiter darauf und begannen damit, die Einzelteile loszuschnüren. In Windeseile waren die riesigen Planen gefaltet, aufgerollt und auf den Planenwagen verstaut. Die sechs Pole – die Zentralmasten – des Spielzeltes wurden umgelegt und zahllose Stangen von den Traktoren herausgezogen und in noch mehr Wagen verladen.
Eine ganze Stadt schien verschwunden zu sein, und als ich auf dem leeren Platz stand und die Papierfetzen beobachtete, die von einem leichten Wind umhergeweht wurden, fühlte ich plötzlich eine Hand auf der Schulter. Ich drehte mich um und blickte in ein rauhes, schwarzes Gesicht. »Ich wette, daß das hier für dich das erste Mal war, oder?«
Ich nickte. »Ich hab’ noch nie etwas Ähnliches gesehen …«
Er hob die Hand und deutete auf die abfahrenden Wagen: »Beeil dich lieber. In etwa zwanzig Minuten werden die Wagen beladen und die Fähren weg sein.«
»Kommst du nicht mit?«
Er schüttelte den Kopf: »Ich bin Tick Tack, der Vierundzwanzig-Stunden-Mann. Ich muß zurückbleiben, um den Platz aufzuräumen und mich zu vergewissern, daß die Stadt damit zufrieden ist, wie wir den Platz hinterlassen.«
Ich sah auf die Wagen. »Aber wie wirst du auf das Schiff kommen?«
»Werde ich nicht. Ich überhole das Schiff und bereite den nächsten Platz vor. Bin jetzt schon seit neun Jahren bei Mr. John und hab’ noch nie die Show gesehen!« Er zeigte noch einmal auf die Wagen, und ich lief los. Ich schaffte die zehnte Fähre gerade, als der Wagen mit dem dreißig Meter langen Zentralmast an Bord gezogen wurde.
Ich hatte keine Zeit, um mir die City of Baraboo anzugucken. Kaum war die Fähre eingedockt und am Rumpf festgemacht, als ich auch schon eiligst zum Report in Mr. Johns Quartier beordert wurde. Der Verkehrsstrom schwemmte mich mit, und ich gelangte eher zufällig dorthin. Die Tür stand offen, und ich trat ein. Mein Kommen wurde durch das Hochziehen einer Braue vom Direktor zur Kenntnis genommen. Er warf mir einen kurzen Blick zu und beschäftigte sich dann weiter mit den Schriftstücken auf seinem
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