Einarmig unter Blinden - Roman: Roman
besorgen kann, wandert mein Blick über die Gerätelandschaft. Stöhnende Muskelberge mit raspelkurzen Haaren trainieren sich an weißen Foltermaschinen halb debil, um abends enge T-Shirts tragen zu können. Solche Pumperjungs trainieren meistens zu zweit. Sie haben immer die coolen Trainingshandschuhe aus Neopren oder Latex an, nicht die weißen gestrickten. Feuern sich mit: »Los, einen noch, du Schlappi!« oder »Jetzt mit Schmackes!« an. Dann wird laut eingeklatscht. Nach jeder Übung.
An der »Sports-Bar« sitzen ein paar Hausfrauen in gelben Leggings und trinken Bananenshakes, während sie alte Fit for Fun- Hefte durchblättern. Wahrscheinlich zwingen ihre Ehemänner sie dazu, hier zu trainieren. Sie werden hier abgesetzt und müssen die Zeit totschlagen, bis »Eckart« sie wieder abholen kommt.
Bei den Laufbändern bleibt mein Blick hängen. Ein schwitzendes Laufbandmädel fesselt meinen Blick. Sie trägt eine graue Trainingshose mit einem kleinen Loch am linken Knie, Nike Shocks und ein Unterhemd, auf das vorne Muhammad Ali gedruckt ist. Ihre blonden Haare hat sie zu einem Zopf gebunden. Sie ist klein.
Eins fünfundsechzig würde ich sagen. Sie muss schon lange laufen. Schwitzt tierisch.
Eigentlich finde ich blonde Frauen nicht so aufregend. Blonde Haare und ein hübsches Gesicht wirken auf mich zwar sexy, aber auch kühl und unnahbar. Dadurch fehlt für mich der Faktor zur absoluten Traumfrau, das Warme, Liebevolle. Das liefern Blondinen nicht. Die absolute Traumfrau ist eine Mischung aus süßer Gemeinsam-Videogucken-im-Trainingsanzug-Frau und Was-Scharfes-für-die-Kiste-Weib. Eine, die man auf dem Küchentisch und mit zu seinen Eltern nehmen kann. Das Laufbandmädel ist, trotz der blonden Haare, so eine seltene Hammermischung. Ich entscheide mich gegen die Bauchgruppe und nehme das Laufband neben ihr.
Ich versuche gelangweilt oder professionell zu wirken, oder auch beides, als ich mich auf das Laufband stelle. Tue, als ob ich mich stretche, während ich schnell die Bedienungsanleitung überfliege. Ich fange mit schnellem Gehen an und steigere mich dann zum Joggen. Das habe ich mal so gesehen.
Obwohl ich ein schweres Programm eingestellt habe, läuft ihr Band viel schneller als meins.
Nach 800 Metern presse ich ein »Schön leer hier heute!« heraus. Eigentlich wollte ich »Schön hier!« sagen. Da das Center aber genauso wenig schön wie leer ist, hätte das ähnlich wenig Sinn gemacht.
Keine Reaktion.
Sie scheint mich nicht gehört zu haben. Gerade als ich mich darüber freuen will, weil ich nun noch einen besseren Spruch platzieren kann, schaut sie doch zu mir rüber. Trotz ihres Hammertempos mustert sie mich in aller Ruhe. Dreimal von oben bis unten. Dann guckt sie wieder geradeaus. Lässt sich zehn Sekunden Zeit und sagt: »Schau mal. Ich bin schon drei Kilometer gelaufen. Du erst ein paar hundert Meter. Ich bin über zwei Kilometer vor dir. Ich kann dich gar nicht hören.«
Ein Megakorb.
Den goldenen Bagger gewinne ich dieses Jahr ganz sicher nicht.
Ich bin sauer. Hätte ich mich für die Bauchgruppe entschieden, könnte ich jetzt nett Ärsche gucken. Aber nein, ich muss jetzt wie ein Bescheuerter auf der Stelle laufen, weil ich nicht mit den Spatzen zufrieden war, sondern auf die Taube losgehen musste.
Aufhören geht jedenfalls nicht. Den Triumph gönne ich der nicht. Also torkle ich weiter auf dem Laufband. Genervt und wütend, aber immer wieder linse ich zu dem Laufbandmädel. Ich kann nicht aufhören sie zu betrachten. Unlustig war der Spruch nicht. So sollten Frauen reagieren. Finde ich.
Ich weiß nicht, ob es die Glückshormone sind, die beim Joggen angeblich ausgeschüttet werden, aber ich fühle mich anders. Wie die Nummer 31 bei meinem Chinaimbiss: süßsauer. Aber viel süßer als sauer. Und angekommen. Obwohl ich laufe, fühle ich mich zu Hause angekommen. So ähnlich wie damals, als ich aus dem Flugzeug heraus zum ersten Mal die Skyline von Manhattan gesehen habe. Nur ist das Gefühl jetzt zehnmal stärker. Besser kann ich es nicht beschreiben. Ich fühle mich süßer als sauer angekommen.
Ich verdoppele meine Geschwindigkeit. Ich jogge nicht mehr, ich renne. Nicht wie der Wind, eher wie ein Kind. Meine Arme fliegen durch die Luft. Wirbeln wild umher. Meine Füße knallen auf das schwarze Plastik des Bandes. Ich habe meine Schuhe nicht zugebunden. Die Schnürsenkel in den Schuhen schneiden sich in die Ferse. Die Dr. Oetker- Thunfischpizza von heute Mittag macht sich in
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