Einarmig unter Blinden - Roman: Roman
selten besser, wenn man sie wiederholt.
Jogger-Lady hat noch nicht bestellt. Sehr gut! Wieder bestanden. Es gibt so ein paar Dinge, auf die Männer bei Frauen achten – von denen Frauen nichts wissen. Zum Beispiel hat jeder brauchbare Mann In den Straßen der Bronx mit Robert de Niro gesehen. Der Film ist eher schlecht, hat aber eine wunderbare Szene. In der erklärt de Niro seinem Sohn, wie man »die Richtige« erkennt: Wenn man einer Frau die Autotür zuerst öffnet, sie sich dann über den Sitz lehnt und den Knopf der Fahrertür hochzieht, ist sie die Frau fürs Leben. De-Niro-einfach und De-Niro-wahr. Frauen, die diesen Trick kennen, haben bei den meisten guten Jungs schon gewonnen und können damit sogar den einen oder anderen Figurmangel kaschieren.
Genauso wichtig ist, wie sich die mögliche Herzdame beim Essen- oder »Was trinken«-gehen benimmt. Was isst sie? Wie isst sie? Wie behandelt sie die Kellner? Tut sie wenigstens so, als wolle sie ihren Teil bezahlen? Jogger-Lady hat noch nichts bestellt, bevor ich gekommen bin. Das lässt schon mal auf gute Kinderstube schließen. Toll!
»Wollen Sie die Karte?«, unterbricht die weibliche Bedienung, die wie der Sohn von Harald Juhnke aussieht, meine Gedanken.
»Nein danke«, antworte ich, sehe Jogger-Lady an und frage: »Oder brauchst du sie? Nein? Okay, dann können wir bestellen.« Mit einer Handbewegung deute ich Frau Juhnke an, dass meine Begleitung zuerst ordern möchte. Jogger-Lady schaut so, wie ich geguckt haben muss, als ich sie mit der Zeitung sah. Erleichtert. Vielleicht haben Frauen auch so eine »Wie-Jungs-sich-zu-benehmen-haben«-Liste. Sie ordert einen Caffé Latte und ein stilles Wasser, ich eine Apfelschorle.
Wir unterhalten uns blendend. Zum ersten Mal höre ich sie lachen – wegen einer Bundeswehranekdote. Ich erzählte von dem einzig amüsanten Erlebnis, das ich mit dem Tragen von olivgrüner Kleidung verbinden kann: meiner Schießprüfung, die ich nur bestand, weil der Volldepp neben mir auch auf meine Scheibe geschossen hatte. Und dass meine Einheit nach Kriegsbeginn eine durchschnittliche Lebenserwartung von 32 Sekunden hatte, meine Vorgesetzten aber meinten, ich würde nicht mal zehn Sekunden überstehen. Sie lacht ausgelassen wie ein Junge. Wenn ich in eine andere Richtung gucke, mustert sie mich.
Jogger-Lady muss los. Wirklich los, nicht cool-als-Erster-los. Wir verabreden uns für den nächsten Tag. Gleich am nächsten Tag treffen? Das ist doch was! Kein Rarmachen, kein Rumgedeale, wer ruft wen, wann und dann sowieso erst nach zwei Tagen an. Wir verabschieden uns mit zwei Küssen auf die Wange. Erst sage ich »Bis morgen«, dann sie, um eine tausendstel Sekunde versetzt. Zum Glück stehen unsere Autos genau in verschiedenen Richtungen. Verabschieden und dann in die gleiche Richtung gehen müssen ist dumm.
Als ich in mein Auto steige, fühle ich mich, als ob ich mir einen Riesenpopel aus der Nase gezogen habe. Ich kann frei atmen.
Endlich
Seit zwei Wochen verbringen Jogger-Lady und ich jeden Tag zusammen.
Jogger-Lady heißt Anna. Sie will sich ein Auto kaufen. Morgens um zehn kommt sie zu mir. Erst wird gefrühstückt, dann besuchen wir seltsame Menschen, die in der Avis inseriert haben. Wenn wir damit fertig sind, gucken wir bei ihr Soaps, gehen einkaufen oder joggen. Abends, wenn sie in ihrem Restaurant kellnert, esse ich dort und warte auf sie, bis sie Schluss hat.
Ich gehe zurzeit nicht in die Uni. Mein Leben läuft. Endlich wieder! Akademischer Stress soll mir da nicht in die Quere kommen.
Sie geht vertraut mit mir um. Das gefällt mir. Und könnte ich lieben. Wenn Anna mich ihren Freunden vorstellt, habe ich das Gefühl, dass sie stolz auf mich ist. Bei meiner Ex war am Ende jeder Bekannte wichtiger als ich. Ich glaube, wenn man jemanden wirklich liebt, fängt man an, sich selbst von außen zu betrachten. Erkennt die eigenen Fehler und Macken und feilt sie dem anderen zuliebe ab. Liebt man jemanden nicht ehrlich, glaubt es aber, sieht man ihn mit den Augen anderer und fängt an ihn zu verbiegen.
Meine Freunde sagen: »Entweder ihr ist langweilig oder sie ist total in dich verknallt.«
Schon zweimal hat Anna bei mir geschlafen. In meinem Bett. Ist aber nichts gelaufen, nicht mal Geknutsche. Das erste Mal übernachtete sie aus zeittechnischen Gründen bei mir: Wir mussten um sieben Uhr früh bei einem Avis -Freak sein. Beim zweiten Mal rief sie nachts um kurz nach zwölf an und fragte, ob ich schon Hör mal, wer da
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