Einarmig unter Blinden - Roman: Roman
mich auch.« Das sagt sie in das Handy hinein. Und zu mir: »Du, ich muss los, ich melde mich bei dir.« Halb gibt, halb wirft sie mir meine Jacke zu. Ich reagiere nicht. Sie landet in einer Pfütze.
Ich bleibe noch sitzen und trinke die Flasche leer. Dann fahre ich nach Hause. Speedy sage ich nicht mehr tschüss.
Manche stehen halt auf der anderen Seite der Liebe.
Der, die wehtut.
Miekrone.
Dreiundzwanzig:
Lila ist die Farbe
Lila ist die Farbe der sexuell Unbefriedigten. Das habe ich irgendwo gehört. Vielleicht auch gelesen? Es stimmt jedenfalls. Mein Leben ist eine große lilafarbene Wurst.
Ich weiß nicht, wie lange ich keinen Sex mehr hatte. Aber es ist schon lange her. Ich habe das Gefühl, als ob mir mein Sperma bis unter die Stirn steht. Es anfängt, mein Gehirn aufzuweichen. Letztens habe ich geträumt, dass ich in eine Polizeikontrolle komme und pusten muss. Der Polizist guckte auf sein Gerät und sagte: »Sie haben nicht getrunken, aber Sie müssen mal wieder bumsen. Ihr Spermagehalt liegt bei 78 Promill, junger Mann.« Dann bin ich zum Glück aufgewacht – um frisch gedemütigt in den Tag zu starten.
Aber es gibt für mich zurzeit einfach keine Möglichkeit, Sex zu haben: Steht eine Frau auf mich, die ich nicht mag, will ich nicht mit ihr pennen. Punkt. Find ich eine »so ganz cool«, will ich sie nicht verletzen, vor allen Dingen aber mich selbst vor Stress beschützen. Denn die Erfahrung hat mich gelehrt: Behandelst du eine Frau nett, aber emotionslos und landest mit ihr in der Kiste, glaubt sie, sich in dich verlieben zu müssen. Erwiderst du dann nichts, flippt sie total aus. Spinnt sich mit ihren Freundinnen zusammen, dass du nur Angst vor einer festen Bindung hast und stellt dir tonnenweise Kuchen in Herzform vor die Tür. Dann hast du den Salat.
Auch ihretwegen kann ich keine Frauen abschleppen. sie würde es mitkriegen. Auch wenn ich gar nicht weiß, ob sie es überhaupt noch interessiert. Aber ich würde mir ewig vorwerfen, derjenige gewesen zu sein, der die zugeschlagene Tür endgültig abgeschlossen hat.
Pornos ausleihen ist auch schwierig. In meiner Videothek bin ich Stammgast, ich werde mit Vornamen begrüßt und muss keine Nachgebühren zahlen, wenn ich Filme zu spät zurückbringe. Also kann ich mir da unmöglich Wichsvorlagen holen. Extra in einer anderen Videothek Mitglied zu werden ist mir zu krank. Prostitution kommt auch nicht in Frage. Jede Nutte ist eine Tochter, Schwester, Freundin, keine lebende Wichs-vor-beziehungsweise Wichsreinlage.
Und nach dem Selbst-Berühren bin ich nur noch peinlich berührt. Impotenz wäre zurzeit wirklich eine Gnade.
Meine Ersatzbefriedigung ist Sport. Nicht zum Abreagieren; es ist meine einzige Möglichkeit, scharfe, verschwitzte Frauenkörper zu sehen. Zwar fühle ich mich moralisch behindert, da ich merke, wie es die Frauen anwidert, begafft zu werden, aber ich kann nun mal nicht anders.
Obwohl mein Fitnesscenter nur ein paar Minuten Fußweg entfernt ist, fahre ich mit dem Auto. Es ist ein schöner Tag. Es ist extrem hell. Seltsamerweise ist die Sonne aber nirgends zu sehen. Die Wolken am Himmel sehen aus wie im Simpsons-Vorspann. Natürlich ohne die gelbe Schrift. In meinem Auto riecht es nach verschmortem Plastik. Das Lenkrad kann ich nicht länger als ein paar Sekunden anfassen, es ist kochend heiß.
Auf dem Weg ins Powerhouse muss ich immer durch eine Rotklinker-Neubausiedlung fahren, die so aussieht, als sei sie für Supermarktfilialleiter und Flughafen-Rollfeld-Busfahrer entworfen worden. Überall in dieser Siedlung sind Graffitischriftzüge an die Wand gepisst, dumme krakelig hingesprühte Namen wie Fear oder Officer verschandeln die eh schon hässlichen Fassaden. Hunde markieren ihr Revier mit Urin. Einer fängt an, dann pinkeln auf einmal alle an dieselbe Stelle. Fängt einer von den Hirnis an irgendwo hinzutaggen, ist übermorgen auch die ganze Wand dicht.
In der Problemzone: Bauch- Gruppe gibt es am meisten zu gucken. Am tollsten sind die letzten 15 Minuten. Dann werden Rückenübungen in der Doggy-Style-Position gemacht.
Ungefähr ein Sechstel der Gruppe sind Männer, allesamt noch fertiger als ich. Ich bin realistisch und komme nur zum Glotzen – die aber glauben, dass hier ein guter Ort sei, um Frauen anzusprechen. Stand bestimmt mal in der Men’s Health.
Während ich warte, dass die Hüpf-Menschen, die vorher den Raum belegen, endlich aufhören und ich mir den strategisch besten Platz hinten rechts in der Ecke
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