Einarmig unter Blinden - Roman: Roman
Rauferei, die schließlich mit einer Verbrüderung an der Bar endet (Arm in Arm wird ein Bier getrunken). Und das alles in Polo Ralph Lauren. Sehr lustig.
Es ist Punkt Mitternacht. Ich bin zu früh. Um halb eins bin ich drinnen verabredet. Toll. Und: Ich fahre heute Abend. Das heißt: kein Tropfen Alkohol. Noch toller.
Ich habe es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten. Wenn ich rauchen würde, würde ich mir jetzt eine Zigarette anstecken. Marlboro Lights wäre meine Marke. Radio an: Dreams are my reality … Aus! Ich kriege das kühle Kotzen bei diesem Seier-Song. Das Totaltrauma aus meiner Kindheit. Meine erste Begegnung mit Partys war der Film La Boum - die Fete. Ich hasse Vic – Sophie Marceau – und diesen schrecklichen Mathieu mit seinem Bartflaum und dem peinlichen Mofa. In meinen Sommerferien auf Sylt, die wir immer mit drei befreundeten Familien verbrachten, musste ich mir ständig diese schrecklichen Filme auf Video angucken.
Diese Ferien waren für mich der absolute Horror. Erstens war ich der Jüngste (drei Jahre Altersunterschied). Die Nächstjüngsten waren zwei Mädchen – das zählte also nicht. Wir wohnten alle zusammen in einem gelben Mehrfamilienhaus in Wenningstedt, das liegt zwischen Kampen und Westerland. Die anderen Familien waren miteinander verwandt. Das ließen mich die Kinder genauso spüren wie den Altersunterschied. Beim Verstecken-Spielen musste immer ich anfangen zu suchen. Es war gleich, wie viele ich fing. Thomas, der Älteste, wartete immer am längsten in seinem Versteck und klatschte dann mit »Miekrone« ab. »Miekrone« heißt, dass er »sicher« ist und alle anderen automatisch frei sind. Der »Sucher« (ich) ist natürlich erneut dran. Durch seine Befreiungen stieg sein Ansehen, meines fiel entsprechend.
Ich weiß bis heute nicht, ob »Miekrone« eine generelle oder erfundene Regel ist. Fing ich Thomas, sagte einer, der sich angeblich »frei«geklatscht hatte, während er lässig am Baum lehnte: »Ich habe vorhin nicht berührt. Miekrone!« Gegen die Meute kam ich natürlich nicht an. Wurde es mir nach dem neunten Mal zu blöd und ich blieb an meinem Baum stehen, beschimpften sie mich als »Mie-Hocker«, brachen das Spiel ab und gaben mir die Schuld. Also suchte ich meistens als Einziger.
War es irgendwann zu dunkel, durften wir uns einen Film aus der La Boum -Reihe angucken, was die Auswahl etwas erschwerte, da es nur zwei Teile gibt. Der Videorecorder, damals noch etwas ganz Exklusives, gehörte leider nicht meinem Vater, sondern einer der drei Familien, ich weiß nicht mehr genau welcher. Oft wünschte ich, es wäre der meines Vaters oder sogar meiner gewesen. Dann hätten die anderen mich gemocht.
Wir guckten dann also alle die französische Pubertäts-Schmonzette. Die Jungs fanden alle Sophie Marceau »scharf«, die Mädchen den Vollpenner mit dem ekeligen Flaum »voll süß«. Die blöde Sophie ließ sich Mathieu auf ihre Gardine drucken. Was zur Folge hatte, dass sie einen ein Meter langen Flaum anschmachtete. Ihr Vater hatte eine schlimme Warze, und ständig hörte sie dieses Lied: Dreams are my reality. Einmal habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und gesagt: »Ich finde den Film blöd!« Es sollte natürlich besonders cool klingen, aber alle guckten mich nur verständnislos an. Und dann sagte Floh, der Zweitälteste, dick mit roten Haaren, Zahnlücken und Sommersprossen, auch noch verächtlich: »Du warst ja auch noch nie auf einer richtigen Fete.« Danach alle im Chor: »Genau!« Von denen auch niemand. Aber das war egal. Von da an war ich komplett disqualifiziert.
»Wichsen kannst du zu Hause, du Wichser.«
Erschrocken blicke ich nach links. Speedy trommelt wild mit beiden Fäusten gegen die Scheibe. Mit ihm bin ich auf der Party verabredet. Ich steige aus.
Speedy heißt eigentlich Anton, ist halb Spanier. Er hat schwarze lange Haare und trägt immer denselben grauen Anzug. Er sieht aus und redet wie Speedy Gonzales. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum wir ihn Speedy Gonzales nennen – wenn er nicht dabei ist. Er begrüßt mich immer mit drei Küsschen auf die Wange. Jedes Mal vergesse ich, mit welcher Seite er anfängt, was immer zu Verwirrungen und peinlichen Situationen führt. Er ist hoch wie breit. Hat mal Football gespielt. Speedy ist lustig und ein notorischer Lügner. Mehr weiß ich nicht von ihm.
Speedy macht seinen Namen alle Ehre und hat es ganz besonders eilig. Er rennt in Richtung Capa-San, ich hinterher. Beim Schiff angekommen
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