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Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Einarmig unter Blinden - Roman: Roman

Titel: Einarmig unter Blinden - Roman: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Jessen
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Gleich unfreundlich sein. Dann lässt er mich vielleicht in Ruhe.
    Falsch. Christoph erzählt munter drauflos.
    Er ist einer der jüngsten Immobilienmakler der Stadt. Macht sich bald selbstständig. Ist nämlich »schweineerfolgreich, weißt du«. Er redet so laut, dass auch der Fahrer jedes Wort mitkriegen muss. Den interessiert es offensichtlich nicht, weswegen ich mich ihm sehr verbunden fühle.
    Es hat jetzt richtig angefangen zu regnen. Auf der linken Seite der Scheibe laufen die Tropfen schneller runter als rechts. Warum?
    Mittlerweile ist der Immobiliendepp bei dem Thema Arbeitslose, die nicht arbeiten wollen angelangt. »Ich meine, nichts gegen Sie da vorne, aber Taxi fahren könnte doch jeder, oder? Was sagst du?«
    »Man muss das Kind beim Namen nennen. Sonst ruft man es die ganze Zeit falsch«, antworte ich.
    »Genau«, sagt Christoph.
    Wir sind da. Christoph hat kein Geld. Es ist doch immer wieder doll, wenn sich Leute selbst entlarven. Ich zahle. Christoph sagt: »Gebe ich dir gleich wieder.«
    Vor dem Club gibt es zwei Schlangen. Eine ist mindestens zehn Meter lang, trägt Gucci-Sonnenbrillen, Nietengürtel und ist klitschnass. An der anderen Schlange stehen nur zwei Pärchen an. Die werden sofort durchgelassen. »Hier nur für Leute mit Einladung oder die auf der Gästeliste stehen!«, ruft der Türsteher und zeigt dahin, wo eben noch die Minischlange stand. Anna hat mir eine Einladung gegeben, schon vor ein paar Tagen. Sie gilt für zwei Personen. Das sage ich Gustav Gans aber nicht. Stattdessen sage ich: »Ich habe eine Einladung. Du musst doch eh Geld holen. Da hinten ist ein Automat. Bis du wieder hier bist, ist die Schlange bestimmt weg. Lass uns drinnen treffen.« Ohne eine Antwort abzuwarten gehe ich. Christoph ruft noch hinter mir her, ob ich nicht zum »Geldspucker« mitkommen könnte. Ich tue so, als könnte ich ihn nicht hören.
    Der Doorman hält mich grob am Arm fest. »Einladung?«
    »Ja, hier.«
    »Okay, viel Spaß.«
    Der Zin -Club ist auf der obersten Etage eines alten Plattenbau-Hotels. Man muss mit einem Siebziger-Jahre-Fahrstuhl in die zweithöchste Etage fahren, dann die letzte Treppe gehen. Höchstens fünf Personen steht, mit Edding geschmiert, auf einem Zettel an der Verkleidung.
    Ich bin diesen Fahrstuhl noch nie mit weniger als zehn Personen gefahren. Jedes Mal sagt irgendwer: »Ey, jetzt stecken bleiben. Das wäre krass.« Dann lachen alle mit ihrer Discolache.
    Ich glaube, die Veranstalter haben den Aufzug frisieren lassen. Er fährt ein ganzes Stück schneller als normale Fahrstühle und es scheppert ungesund, wenn er anhält. Grüne und gelbe Schaumstoffreste, durchzogen mit Alufolienstreifen, quellen aus Löchern an der Aufzugdecke.
    Der Club ist packed. Es ist unsagbar heiß. Die Leute hier sind nasser als die draußen. Ich sehe mich um.
    Ex ist da.
    Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es mich mal so wenig interessieren könnte, Ex zu sehen. Natürlich erschrecke ich. Doch nur ein Sechzehntel so wie noch vor ein paar Wochen.
    Als Ex mich sieht, wird epileptisch gewunken. Ex lacht und läuft mir entgegen. »Heeeey, wie geht es dir? Hast du kurz Zeit für mich? Ich muss dir was sagen.« Während Ex mit mir redet, werde ich zweimal von ihr an der Hüfte berührt.
    Ich habe keine Lust, mit ihr zu reden. »Es geht mir gut, danke.« Ich will Anna. »Sei mir nicht böse, aber ich bin verabredet. Ein anderes Mal.«
    Ich renne zwischen Zigarettenautomaten, den zwei Bars, der Tanzfläche und der Damentoilette hin und her. Meine Vorfreude Anna zu sehen ist gepaart mit einer dumpfen Angst, sie könnte einen Besseren als mich gefunden haben – in den zwei Stunden, die sie hier schon alleine ist. Gut möglich.
    Da ist Anna. An der Bar. Allein!
    Zwei Meter daneben steht Ex. Wie ein dunkler Schatten, den man dem Teufel für lau überlassen würde. Blitzt mich mit ihren Augen an, leicht zugekniffen. Das kenne ich von früher. In ihrer Sprache heißt das, ich soll ein schlechtes Gewissen haben.
    Ich stelle mich hinter Anna, die gerade versucht den Barkeeper heranzuwinken, und umarme sie.
    »Hi, na endlich bist du hier!« Anna fängt sofort an, irgendeine Geschichte zu erzählen. Ich höre gar nicht hin. Ich schaue sie an und freue mich pur. Ex begafft uns erstaunt und angestrengt.
    Es ist Zeit.
    Ich versuche Anna zu küssen.
    Sie weicht aus. »Spinnst du, was soll das?«
    Ex hat es gesehen und lächelt. Erst erleichtert. Dann hämisch.
    Ich drehe mich weg, ohne noch etwas zu

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