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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Hals: Er war noch warm, aber ich konnte keinen Puls fühlen. Fieberhaft überlegte ich, ob es möglich war, dass ich aufgrund der Angst und des Blutes, das in meinem Kopf rauschte, einfach nicht in der Lage war, ihn zu ertasten. Tränen liefen mir über das Gesicht. Was um alles in der Welt sollte ich nur tun?
    Oh, Scheiße, dachte ich. Was, wenn George sich bloß geradeso in einem empfindlichen Gleichgewicht befunden hatte, und ich hatte es durcheinandergebracht? Wenn er starb, lag es dann an mir? Ich sah zur Decke hoch und hoffte, ich könnte meinen Glauben an Gott irgendwie zurückgewinnen. Zum letzten Mal hatte ich das versucht, als ich vor vielen Jahren die Sonntagsschule geschwänzt und mir von dem Geld für die Kollekte Cola gekauft hatte. Aber beten war sinnlos. Das hatte ich schon vor langer Zeit aufgegeben.
    Ich schob mich wieder zu ihm hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Bitte, George, stirb nicht. Bitte. Ich liebe Sienna, und sie liebt dich. Sie braucht dich. Geh jetzt nicht weg«, flehte ich seinen reglosen Körper an.
    »Ich liebe deine Tochter. Ganz furchtbar«, sagte ich. Meine Stimme klang schrill und heiser zugleich.
    Dann zog ich mein Handy aus der Tasche und versuchte, den Notruf zu wählen, aber meine Hände zitterten so sehr, dass ich nicht mal drei Neunen hintereinander tippen konnte. Ich vermasselte es zweimal und verschwendete so kostbare Zeit.
    Irgendwie hatte ich immer gehofft, dass ich in einem Moment wie diesem der Held aus den Comic-Heften sein würde, der genau wusste, was zu tun war. Derjenige, der den Sterbenden durch Mund-zu-Mund-Beatmung ins Leben zurückholte, Schmerz und Gefahr hinwegfegte, innerhalb von Sekunden Verbände anlegte.
    Doch ich war eine Flasche. Eine weinende, zitternde, nutzlose Pfeife.
    Als es mir endlich gelungen war, die 999 zu wählen, versuchte ich zu erklären, was passiert war. Doch leider kamen mir die Worte nicht so über die Lippen, wie ich gehofft hatte. »Bitte, kommen Sie sofort, ich glaube, er ist tot. Bitte beeilen Sie sich«, krächzte ich mit einer Stimme wie Schmirgelpapier.
    »Okay, Sir, bitte bleiben Sie ruhig. Wo sind Sie?«
    »Äh, Orchard Court, Wohnung zehn, Great Westfield Road, London.« Ja, das war die Adresse. Langsam war ich wieder halbwegs zu gebrauchen.
    »Worin besteht der Notfall?«, hörte ich die kühle, gelassene Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Verdammt, was weiß ich? Ich habe hier einen Mann, der zusammengebrochen ist. Ich kann keinen Puls fühlen, und ich glaube, er ist tot. Bitte kommen Sie sofort! «, brüllte ich. Mittlerweile war ich leicht hysterisch.
    Später erzählte man mir, dass sie innerhalb von sechs Minuten da waren. Doch diese sechs Minuten kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Ich saß neben George in der Teepfütze, hielt seine Hände und weinte wie ein aufgelöstes Kind. Die ganze Zeit über rührte er sich nicht einen Zentimeter. Ich zermarterte mir schon den Kopf darüber, wie ich es Sienna beibringen sollte. Was, wenn die Polizei glaubte, ich hätte ihm etwas angetan? Panik überkam mich, als ich mir mich hinter Gittern vorstellte.
    Ich war so froh, als sie ankamen, in fluoreszierendem Gelb und Grün und robusten schwarzen Schnürstiefeln. Die leuchtend roten Transporttaschen und das Geräusch von Klettverschlüssen, die aufgerissen wurden, vermittelten mir das Gefühl, dass vielleicht doch noch alles gut werden würde.
    Einer der Rettungssanitäter zog mich von George weg und setzte mich auf die Couch. Ich kam mir vor wie ein kleiner Junge. Schweigend sah ich zu, wie sie an ihm herumfuhrwerkten. Ich fühlte mich, als hätte ich meinen Körper verlassen und würde alles – mich eingeschlossen – von außen beobachten. »Er lebt, Kumpel«, erklärte einer von ihnen und wandte sich mir mit einem breiten Grinsen zu. Offensichtlich hielt er mich für einen Idioten.
    Dann kniete er sich neben mich. Sein kahler Schädel glänzte im Licht der Deckenlampe. »Sie sind also Siennas Neuer?«, fragte er und sah mich mit einem schmalen Lächeln an. »Ich hoffe, Sie haben nichts Peinliches gesagt – wahrscheinlich hat er jedes Wort verstanden.« Das Lächeln wurde breiter.
    Ich erwiderte nichts.
    »Sie ist ein nettes Mädchen, was?«, fuhr er fort, rollte eine grüne Matte zusammen und schnürte ein schwarzes Band darum.
    Himmel, der Typ kennt Sienna, dachte ich – er redet über sie und über George, als kenne er die beiden schon sein ganzes Leben lang, und ich tappe noch immer im Dunkeln. Am liebsten hätte ich

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